Jahrbücher für Geschichte Osteuropas: jgo.e-reviews 3 (2013), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz
Verfasst von: Georg Wurzer
A. S. Minakov: Gubernatorskij korpus i central’naja vlast’: problema vzaimootnošenij [Die Gouverneure und die Zentralmacht: Das Problem ihres Zusammenspiels]. Orel: Orlik, 2011. 488 S., Anhänge, Namensregister. ISBN: 978-5-91468-065-4.
Der Titel suggeriert zwar einen aktuellen Bezug, tatsächlich untersucht A. S. Minakov, Historiker an der Staatlichen Universität Orel, in dem vorliegenden Band die Rolle der Generalgouverneure und Gouverneure im Russischen Reich in der Zeit von den Großen Reformen Alexanders II. bis 1917. Die Gouverneure waren die von der Zentrale ernannten wichtigsten Entscheidungsträger auf regionaler Ebene. Minakov beansprucht für seine Ergebnisse zwar nur für die Gouvernements des Zentralen Schwarzerdegebiets Gültigkeit, tatsächlich kann man sie jedoch auf das gesamte Imperium beziehen.
Das Werk zerfällt formal in fünf Teile. In der Einleitung gibt der Autor nach einigen schulmeisterlich wirkenden Sätzen, mit denen er die Bedeutung der Fragestellung vor Augen führen will, einen informativen und handwerklich sauber gearbeiteten Überblick über die bisherige Forschung. Dabei nennt er geschickt zunächst die zentralen Ausführungen Lenins zu den Berichten der Gouverneure, auf die sich dann alle einschlägigen sowjetischen Historikerinnen und Historiker bezogen.
Er selbst stützt sich in erster Linie auf vielfältige Dokumente aus einer ganzen Reihe zentraler und regionaler Archive, Memoiren von Zeitzeugen sowie Arbeiten, die nach 1989 erschienen sind. Dabei wird deutlich, dass das hier besprochene Buch das Ergebnis langjähriger Anstrengungen ist.
Im ersten Kapitel über die Herausbildung der sozialen Gruppe der Gouverneure zeigt er zunächst die formale Stellung seiner Protagonisten im Russischen Reich auf. Anschließend widmet er sich ausführlich der Frage der Mechanismen der Ernennung und Entlassung dieser Beamten. Dabei wird augenscheinlich, dass neben den für das Russland vor 1917 wenig überraschenden persönlichen Beziehungen und Intrigen auch durchaus machtpolitische Kalküle des Innenministeriums und des Zaren selbst ihre Rolle spielten. So brachten zunächst die Großen Reformen, später aber auch die Erste Russische Revolution von 1905–07 einen erheblichen Wechsel an der Spitze der Gouvernements mit sich.
Der zweite Hauptabschnitt beschäftigt sich mit den Berichten der Gouverneure an die Zentralmacht. Die ausführliche Darstellung des formalen Aufbaus und des Zustandekommens dieser Berichte ist wohl nur für einen sehr engen Kreis von Spezialistinnen und Spezialisten von Interesse. Dies gilt aber nicht für den letzten Unterabschnitt über die Behandlung der Berichte im Ministerrat und die Kommentare des Selbstherrschers auf ihnen.
Am ansprechendsten erscheint das letzte Kapitel über die Beziehungen der Gouverneure zu den ihnen untergeordneten Stellen und den Organen der ländlichen Selbstverwaltung. Minakov, der – durchaus einer Tendenz in der heutigen russischen Historiographie folgend –, seine Sympathien für die Monarchie im Laufe der ganzen Arbeit nicht verhehlt, will beweisen, dass trotz der feindlich eingestellten liberalen Öffentlichkeit sehr wohl eine Zusammenarbeit der Vertreter der Zentralmacht mit den Einrichtungen vor Ort möglich war.
In den Schlussbemerkungen fasst Minakov seine Untersuchungen nochmals zusammen und zieht Rückschlüsse auf aktuelle Probleme der Verwaltung der heutigen Russischen Föderation. Dabei stellt er die Notwendigkeit eines Ausgleichs zwischen Macht und Öffentlichkeit in den Vordergrund.
Insgesamt betrachtet kann das Buch durchaus überzeugen, auch wenn einige langatmige Aufzählungen, welche die Lektüre unnötig erschweren, durchaus hätten unterbleiben können. Wegen der teilweise sehr spezifischen Ausführungen scheint es nur für den Personenkreis, der sich mit der Geschichte des vorrevolutionären Russlands näher auseinandersetzt, lesenswert.
Georg Wurzer, Tübingen
Zitierweise: Georg Wurzer über: A.S. Minakov: Gubernatorskij korpus i central’naja vlast’: problema vzaimootnošenij [Die Gouverneure und die Zentralmacht: Das Problem ihres Zusammenspiels]. Orel: Orlik, 2011. 488 S., Anhänge, Namensregister. ISBN: 978-5-91468-065-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Wurzer_Minakov_Gubernatorskij_korpus.html (Datum des Seitenbesuchs)
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