Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1(2011), 4 Rezensionen online / Im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Ernst Wawra

 

Ann T. Walton: The International Decorative Arts Exposition in St. Petersburg, 1908. Foreword by Wendy Salmond. Minneapolis, MN: Modern Greek Studies, University of Minnesota, 2009. XV, 215 S., zahlr. Abb. = Minnesota Mediterranean and East European Monographs, 18. ISBN: 978-0-9791218-4-5.

Am 21. August 1908 wurde in St. Petersburg die „Internationale kunstgewerbliche Ausstellung“ eröffnet. Sie stand in einer Tradition, die 1851 mit der „Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations” im Crystal Palace in London begann und sich mit wechselnder Anzahl vertretener Nationen bis in die Gegenwart fortsetzt. In St. Petersburg waren 1908, neben dem einladenden russischen Kaiserreich, Japan, Schweden, Frankreich, Österreich und das deutsche Kaiserreich als Teilnehmerstaaten präsent, mit dem Ziel, wie es sich beispielsweise nach einem Bericht des Jenaer Volksblatts vom 22. August 1908 die deutsche Industrie gesetzt hatte, zu „zeigen, was deutscher Geschmack und der heimische Gewerbefleiß speziell auf dem Gebiete der Innenkunst zu leisten vermögen.“

Die Weltausstellungen stießen auf durchaus unterschiedliches Interesse, was sich analog dazu heute in dem Forschungsfeld der exhibition studies widerspiegelt. Blickt man in die u. a. von Alexander C. T. Geppert veröffentlichte Bibliographie (International Exhibitions, Expositions Universelles and World’s Fairs, 18512005: A Bibliography, 2006)  über internationale Ausstellungen und Weltausstellungen, so findet man dort keine Publikationen über die St. Petersburger Ausstellung aus dem Jahr 1908. Folglich ist das Ziel von Ann T. Walton durchaus legitim, diese hundert Jahre später wieder bekannt zu machen. Und so spannt die Autorin dann auch in ihrer Einleitung den Bogen von 1851 bis in die Gegenwart, um nach einigen einleitenden Begriffsklärungen die einzelnen Abteilungen wiederaufleben zu lassen. Der Leser soll sich anhand des Lageplanes durch die einzelnen Länderabteilungen lesen und dabei auf den Spuren eines Besuchers wandeln, was durch die schwarz-weißen und wenigen farbigen Bilder erleichtert wird. Dabei steht Walton jedoch vor dem Problem, dass das ihr zur Verfügung stehende Material quantitativ sehr heterogen ist, was sich in den einzelnen Kapiteln widerspiegelt. So nimmt beispielsweise die französische Abteilung in der Darstellung lediglich ein Zehntel des Raumes der russischen ein und das auch nur, weil mit teilweise nebensächlichen Informationen, wie beispielsweise über die Einweihung des „Pont Alexandre III“ über die Seine (S. 65) anlässlich der Pariser Weltausstellung 1900, Platz gefüllt wurde. Da die Autorin vor allem mit schwedischem Archivmaterial gearbeitet hat, sticht vor allem das Kapitel über die schwedische Präsenz positiv hervor.

Hervorzuheben ist der umfangreiche Anhang, in dem Walton für jedes Land Informationen zur Teilnahme an Weltausstellungen, zu den Mitgliedern der Länderkommission, dem Aufbau der einzelnen Abteilungen, den errungenen Preisen sowie eine alphabetische Liste der teilnehmenden Künstler und Manufakturen zusammengetragen hat.

Ihr Anliegen, die vergessen geglaubte Ausstellung zu neuem Leben zu erwecken, wird allerdings durch eine Reihe von Defiziten getrübt: Neben einer unvollständigen Literaturauswahl sind die z. T. fehlenden oder wissenschaftlichen Kriterien nicht genügenden Verweise auf die Kataloge der Länderabteilungen zu nennen sowie die Nichtbeachtung zeitgenössischer Zeitschriften, wie im Falle der deutschen Abteilung die „Keramische Monatszeitschrift“, „Dekorative Malerei“ oder auch die „Deutsche Kunst und Decoration“. Zu kritisieren ist weiterhin die unbefriedigende graphische Gestaltung und formale Uneinheitlichkeit. Warum beispielsweise die Zarenloge viermal (Abb. 21, 22a und b, 30) abgebildet wurde oder ein und derselbe Gobelin (Abb. 23 und 35) immerhin zweimal, bleibt das Geheimnis Waltons. Dazu gesellen sich zu allem Überfluss zahlreiche Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler. Der größte Mangel findet sich jedoch in der Ungenauigkeit und Unvollständigkeit der Angaben im Anhang: So ist die Benennung einzelner Exponate falsch übertragen worden (S. 188) und auch die Auflistung der Preisträger ist unvollständig (S. 174) – aus Georg Roch wird „Georg Wrba“ (S. 162), aus Kurt Tuch „Curt Stoeving“ (S. 162); M. Vopel wird zu „M. Vope“ (164) oder auch „Volpe, M.“ (S. 173), und der hessische Ort Urberach erscheint als „Erbach“ (S. 164). Bereits ein Abgleich mit digitalisierten und frei zugänglichen Zeitschriften oder Dokumenten hätte dies verhindern können. Ärgerlich ist dies vor allem deshalb, da die Autorin bei einem durchaus interessanten Thema aufgrund mangelhafter Verwendung vorhandener Literatur die Chance nicht wahrgenommen hat, über die nummerische Aufzählung von Exponaten, Künstlern und Betrieben hinaus zu fragen, warum die „Internationale kunstgewerbliche Ausstellung“ in St. Petersburg im Jahr 1908 so besonders war und welche Bedeutung sie eingenommen hat, nicht nur, aber auch als Begründung für ihre eigene Arbeit.

Somit ist Waltons selbstgesetztes Ziel, die Ausstellung wiederzubeleben und der Forschung gar „Inspiration“ (S. 5) zu liefern, angesichts dieser Umsetzung sicherlich zu hoch gegriffen. Zu konstatieren bleibt jedoch, dass der Ausstellung zu neuer Bekanntheit verholfen worden ist.

Ernst Wawra, Erlangen

Zitierweise: Ernst Wawra über: Ann T. Walton The International Decorative Arts Exposition in St. Petersburg, 1908. Foreword by Wendy Salmond. Minneapolis, MN: Modern Greek Studies, University of Minnesota, 2009. XV. = Minnesota Mediterranean and East European Monographs, 18. ISBN: 978-0-9791218-4-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Wawra_Walton_International_Decorative_Arts_Exposition.html (Datum des Seitenbesuchs)

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