Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1 (2011), 4 Rezensionen online / Im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Tatjana Tönsmeyer

 

James Ramon Felak: After Hitler, Before Stalin. Catholics, Communists, and Democrats in Slovakia, 1945–1948. Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 2009. XV, 261 S. = Pitt Series in Russian and East European Studies. ISBN: 978-0-8229-4374-7.

James Ramon Felak ist ein ausgewiesener Experte für die Geschichte der Slowakei, vor allem in ihren tschechoslowakischen Bezügen. In seinem jüngsten Buch hat er es sich zur Aufgabe gemacht, ein neues Narrativ für die Jahre 1945 bis 1948 zu entwickeln, da die gängigen entweder stark auf Prag fokussiert seien oder slowakische Klagen an die tschechische Adresse als Leitmotiv hätten. Strukturierende Funktion für das neue Narrativ soll die religiöse Dimension vieler sozialer, politischer und kultureller Konflikte haben, ist diese doch, so Felak, in der Geschichte Ostmitteleuropas bisher zumeist nur marginal berücksichtigt. Schließlich sei für den Umgang von Katholiken und Kommunisten gerade die Slowakei ein interessanter Schauplatz, wurden doch hier katholische Wähler von beiden legalen Parteien, den Demokraten (DS) wie den Kommunisten (KSS), umworben. Entsprechend seien zentrale Themen der politischen Auseinandersetzung mit Religionsfragen verbunden gewesen.

Felak beginnt mit Ausführungen zu den frühen Auseinandersetzungen um die Schulpolitik, die nicht selten Zeichen eines Kulturkampfes getragen hätten. Ein weiterer Schwerpunkt ist das April-Abkommen von 1946, in dem sich die Demokratische Partei mit katholisch orientierten Politikern auf eine Zusammenarbeit einigte. Dies brachte ihr bei den Wahlen später im Jahr einen bedeutenden Sieg ein, allerdings auch die Verschärfung der Auseinandersetzungen mit den Kommunisten, versuchte doch die KSS, das April-Abkommen als Fortsetzung des Abkommens von Žilina aus dem Jahre 1938 zu diffamieren, mithin als erneuten Zusammenschluss slowakischer politischer Kräfte unter autonomistischem und autoritärem Vorzeichen.

Doch es war vor allem der Tiso-Prozess 1946/47, der die innenpolitische Zuspitzung weiter beförderte. Nach Felak sah sich die DS zwischen zwei für sie nachteiligen Optionen gefangen: Entweder konnte sie Tiso verteidigen und riskieren, von den Kommunisten mit polizeilichen Maßnahmen als republikfeindlich verfolgt zu werden. (Nicht erwähnt wird vom Verfasser, dass eine Verteidigung Tisos für die DP auch insofern heikel war, als sie als Partei ihre Wurzeln im Widerstand gegen das Tiso-Regime hatte.) Oder sie konnte sich von Tiso abwenden und die Zustimmung jener katholischen Klientel wieder verlieren, die ihr gerade erst zum Wahlsieg verholfen hatte. Für die KSS dagegen sei die Situation einfach gewesen: Eine Verurteilung Tisos habe höchste Priorität gehabt. Um die schon politisch nur eingeschränkt manövrierfähige DS weiter unter Druck zu setzen, erhob die KSS Vorwürfe gegen einzelne ihrer Funktionäre wegen Korruption und Missmanagement. Der Verfasser schildert, wie schwer sich die DS tat, hierauf zu reagieren, und wie zurückhaltend die Parteipresse agierte: Spontane Protestveranstaltungen gegen den Tiso-Prozess jedenfalls fanden nicht ihren Beifall. Auch konnte sich die DS im Präsidium des Slowakischen Nationalrats, in dem sie die Mehrheit hatte, nicht zu einer Stellungsnahme, Präsident Beneš möge Tiso begnadigen, durchringen, weil zu befürchten stand, dass diese nicht von allen DS-Mitgliedern mitgetragen worden wäre. Nur am Rande sei bemerkt, dass auch nicht alle Parteigänger der KSS mit dem Prozess bzw. dem Todesurteil konform gingen.

In den weiteren Ausführungen steuert das Buch folgerichtig für seinen rein chronologischen Aufbau auf den Kulminationspunkt, die Machtübernahme durch die Kommunisten, zu. Für den tschechischen Diskurs der Jahre 1945 bis 1948 hat Christiane Brenner gezeigt, dass diese Machtübernahme auch deswegen möglich wurde, weil deren Gegnern nicht nur eine ähnlich strahlkräftige Zukunftsvision fehlte, sondern auch, weil unter den „Demokraten“ das Bewusstsein dafür gering war, dass eine parlamentarische Demokratie bestimmter Spielregeln bedarf, die nach dem Krieg kaum noch Verfechter fanden. An diesem Punkt waren sich die beiden Landesteile der Tschechoslowakei wohl gar nicht unähnlich: Die KSS teilte die Vision der KSČ; von Verfechtern demokratischer Spielregeln in der Slowakei lesen wir nichts. Das katholische Lager jedenfalls, vor allem Bischöfe und kirchennahe Presse, propagierten den Katholizismus als Kern des Politischen. Waren dessen Ziele nicht zu realisieren, sollten sich Katholiken aus der Politik zurückziehen. Auch forderten Bischöfe und Presse ihre Anhänger bzw. Leser zur Bewahrung von Ruhe und Ordnung auf und legten ihnen nahe, „Muster-Bürger“ (S. 177) zu sein. In diesen katholischen Augen war der Bürger also keineswegs jemand, der sich um die res publica kümmerte, sondern derjenige, der zu Hause dem katholischen Glauben – und, so darf man wohl vermuten, der slowakischen Nation – treu blieb. Hinzu traten Presseartikel, die die Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Kommunismus, etwa die Sorge um die Armen und Benachteiligten, beschrieben. Für die DS finden sich kaum Zitate, mit deren Hilfe sich die Frage beantworten ließe, wie es um ihren Einsatz für demokratische Spielregeln stand. Insgesamt bleibt die DS bei Felak eine merkwürdig blasse Partei, vor allem wenn man bedenkt man, dass sie ihre Wurzeln im Slowakischen Nationalaufstand und somit in der Opposition gegen das Tiso-Regime hatte und dass sie sich nicht nur darum bemühen musste, ‚katholische‘ Wähler zu gewinnen, sondern auch jene, die sich zum Protestantismus bekannten, nicht zu verlieren – Aspekte, die kaum je Berücksichtigung finden.

In der Summe erscheint es fraglich, ob das Narrativ, das James R. Felak seinem Publikum anbietet, wirklich neu ist. Vieles, was in dieser Ereignisgeschichte ausgebreitet wird, ist bekannt. Dies gilt auch für die Logik, die die Kette von Ereignissen zu einem Sinnzusammenhang fügt, bewegt sich doch die Erzählung weitgehend in der Dichotomie „die Kommunisten“ versus „die Demokraten“. Christiane Brenner zeigt in ihrem schon erwähnten, ebenfalls 2009 erschienenen Buch „Zwischen Ost und West“, woraus sich Funken hätten schlagen lassen, wären auch die slowakischen Eliten daraufhin befragt worden, wie sie die Gegenwart wahrnahmen, die unmittelbare Vergangenheit mit dem Verlust von Eigenstaatlichkeit und Widerstandsbewegung verarbeiteten und welche Zukunftsvisionen sie für die Slowakei im Rahmen der erneuerten Tschechoslowakei formulierten.

Bei Felak haben wir es dagegen mit einer Engführung zu tun, in der zunächst aus „Religion“ vor allem „Katholizismus“ wird, und „katholisch“ dann als entscheidendes Kriterium für die Positionierung in den politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen interpretiert wird. Diese Reduktion wiederum hat zur Konsequenz, dass die slowakische Gesellschaft als wenig differenziert erscheint. Felak bedient sich ganz überwiegend kollektiver Akteure. Er schreibt von „den Kommunisten“, „den Katholiken“, „den Tiso-Anhängern“, „den Demokraten“. Sie alle erscheinen als von den Zeitläuften, vom Kriegsende sowie vom heraufziehenden Kalten Krieg unberührt und bewegen sich in den Geleisen, in denen sie auch vor 1945 agierten. Nur an wenigen Stellen scheint die Offenheit der Situation und damit die Gestaltbarkeit der Zukunft auf. Hieraus hätte sich vermutlich ein neues Narrativ entwickeln lassen. So aber bleibt es bei einer eher konventionellen Studie der Jahre 1945 bis 1948.

Tatjana Tönsmeyer, Wuppertal

Zitierweise: Tatjana Tönsmeyer über: James Ramon Felak After Hitler, Before Stalin. Catholics, Communists, and Democrats in Slovakia, 1945–1948. Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 2009. XV. = Pitt Series in Russian and East European Studies. ISBN: 978-0-8229-4374-7, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Toensmeyer_Felak_After_Hitler.html (Datum des Seitenbesuchs)

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