Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Band jgo.e-review 1 (2011), 2, S.  

Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-review 1 (2011), 2 Rezensionen online

Verfasst von: Hans-Christian Maner

 

Bernadetta Wójtowicz-Huber: „Ojcowie narodu“. Duchowieństwo grecko­kato­lic­kie w ruchu narodowym Rusinów galicyjskich (1867–1918). Warszawa: Wy­daw­nictwo Uniwersytetu Warszawskiego, 2008. 333 S., Abb. = Druga Euro­pa: Seria monografii interkulturowych Europy Środkowo-Wschodniej, 3. ISBN 978-83-235-0383-5.

Die griechisch-katholischen Kirchen sowie die griechisch-katholische Geistlichkeit sind in der Forschung außerhalb der Ukraine bereits als lohnender Untersuchungsgegenstand ausgemacht worden. Insbesondere die spezifische Funktion der Kirchen im Rahmen des Nationsbildungsprozesses, aber auch als strukturbildende Phänomene der Geschichtsregion Ostmitteleuropa spielte dabei eine besondere Rolle. Umso erstaunlicher ist es, dass Untersuchungen aus dem polnischen Sprachraum lange auf sich warten ließen. Doch gemäß dem Sprichwort „was lange währt, wird endlich gut“ legt die Warschauer Historikerin Bernadetta Wójtowicz-Huber eine Monographie vor, in der sie die Rolle der griechisch-katholischen Geistlichkeit bei der Herausbildung des nationalen Bewusstseins bei den Rusynen Galiziens untersucht. Die berücksichtigte Zeitspanne erstreckt sich vom Jahr 1867, das hier nicht für den österreichisch-ungarischen Ausgleich steht, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges.

Die Autorin geht ihrem Untersuchungsgegenstand in sechs Großkapiteln nach. Nach einem Vorwort ist das erste Kapitel der methodisch-theoretischen Grundlegung gewidmet. Das historiographische Tableau beweist eine umfassende Kenntnis der internationalen Forschung zu dem Thema. Neben einer darauf folgenden Einführung in die kirchlichen und Bevölkerungsstrukturen Galiziens ist es der Autorin auch wichtig, terminologische Präzisionen vorzunehmen, so beispielsweise mit Blick auf die Begriffe „Russinen“, „Ruthenen“ und „Ukrainer“. Nach der Hinführung, der Skizzierung der Entwicklung der griechisch-katholischen Kirche in Galizien 1848–1867, wird deutlich, wofür das Jahr 1867 als Anfangsdatum in dieser Darstellung steht. In diesem Jahr kam es durch die Veröffentlichung des russophilen Manifests des griechisch-katholischen Priesters Ivan Naumovyč zu einer Trennung von der ukrainophilen Bewegung. Zugleich kristallisierte sich 1867 ein russinisches Bewusstsein mit klarer antipolnischer und antikatholischer Stoßrichtung heraus. Elemente, die die griechisch-katholische Identität prägten, waren die Reform des Ritus, der Streit um das Kreuz und um die Sprache.

Wójtowicz-Huber zeichnet schließlich anhand der drei Prozesse gegen die Russophilen von 1882, 1914 und 1916–1917 die konfliktreiche Geschichte der griechisch-katholischen Kirche nach, insbesondere ihre Suche nach Identität zwischen ukrainophilen und russophilen Positionen. Die Autorin, die auch der Haltung der Kirche zu Prozessen der Modernisierung (Schule, Wirtschaft, Moral) nachgeht, trifft ihre Aussagen auf einer breiten Quellen- und Literaturgrundlage. Neben unveröffentlichten Quellen aus Archiven in Wien, Warschau, Przemyśl und Lemberg finden sich zahlreiche Zeitungen und Literatur in den Ost- wie den Westsprachen.

Jedes Großkapitel schließt mit einer Zusammenfassung der zentralen Aussagen. Die fundierte Darstellung sollte durch eine Übersetzung in eine der Westsprachen einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden.

Hans-Christian Maner, Mainz

Zitierweise: Hans-Christian Maner über: Bernadetta Wójtowicz-Huber „Ojcowie narodu“. Duchowieństwo greckokatolickie w ruchu narodowym Rusinów galicyjskich (1867–1918). Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego Warszawa 2008. = Druga Europa: Seria monografii interkulturowych Europy Środkowo-Wschodniej, 3. ISBN 978-83-235-0383-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Maner_Wojtowicz-Huber_Ojcowie_narodu.html (Datum des Seitenbesuchs)

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