Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1 (2011), 2 Rezensionen online

Verfasst von: Martin Lutz

 

Wolfgang Sartor: Das Haus Mahs. Eine internationale Unternehmerfamilie im Russischen Reich 1750–1918. Sankt-Peterburg: Olearius Press, 2009. 191 S., Abb., Tab. ISBN: 978-5-901603-18-5.

Die Geschichte des Unternehmertums im vorrevolutionären Russland hat in den vergangenen Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erfahren. Insbesondere die Beteiligung aus dem Ausland stammender Unternehmer an der wirtschaftlichen Entwicklung des Zarenreichs stellt ein Themengebiet dar, das im Zuge einer transnational orientierten Forschung ins Blickfeld gerät. Vor diesem Hintergrund ist die Studie Wolfgang Sartors zur Unternehmerfamilie Mahs zu sehen, die im 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Handelshäuser im russischen Getreideexport etablierte. Sartor hat bereits zur Geschichte der ebenfalls im Getreidehandel tätigen Firma Louis Dreyfus & Co. gearbeitet und ist mit diesem für die russische Wirtschaft so wichtigen Bereich gut vertraut. Der Autor fasst die Geschichte des Handelshauses Mahs allerdings nicht als eine reine Wirtschaftsgeschichte auf, sondern will vielmehr den Identitäten und Akkulturationsprozessen ausländischer Unternehmerfamilien im Zarenreich nachgehen (S. 9).

Das Buch ist – abgesehen von Einleitung und Schluss – in 15 Kapitel gegliedert, die angesichts des Gesamtumfangs von 126 Textseiten zum Teil sehr kurz ausfallen. Sartor beginnt mit einem Überblick über die Herkunft der Familie Mahs und beschreibt anschließend in mehreren Kapiteln die Entwicklung des Handelshauses in Russland. Diese stringente chronologische Strukturierung wird mit Ernst Mahs unterbrochen, der 1832 die Niederlassung in Odessa gründete und die dortige erfolgreiche Entwicklung des Hauses maßgeblich prägte. Die Kapitel 7, 8 und 9 handeln von seiner staatlichen und gesellschaftlichen Betätigung sowie seinem gesellschaftlichen Engagement. Der chronologische Faden wird wieder in Kapitel 10 mit der Entwicklung des Hauses unter Ernsts Sohn Arist aufgenommen, dem sich ein Kapitel über dessen berufliche Betätigung in Staat und Verwaltung anschließt. Den zeitlichen Abschluss bildet die Entwicklung des Hauses Mahs bis zur Oktoberrevolution; die drei letzten Kapitel des Buchs handeln von der Familienstruktur, den Adaptationsprozessen und der Familienkultur. Es stellt sich die Frage, ob man die Verbindung zwischen chronologischem Überblick und zeitübergreifenden thematischen Kapiteln durch eine andere Gliederung klarer hätte gestalten und dadurch auch mehrfache Wiederholungen hätte vermeiden können.

Eine schöne Veranschaulichung bieten die vielen Abbildungen und Statistiken. Allerdings ist das Layout zum Teil etwas unübersichtlich, wenn wie auf S. 17/18 eine Tabelle sich über zwei Seiten erstreckt. Ebenfalls ist die Qualität der Abbildungen zum Teil mangelhaft wie im Fall der Landkarte des südlichen Zarenreichs auf S. 47. Inhaltlich ist es schade, dass verschiedene Aspekte nur oberflächlich gestreift werden. So spricht Sartor mit Verweis auf Max Weber den möglichen Einfluss einer protestantischen Erwerbsethik auf Ernst Mahs an (S. 78–79). Der Verfasser führt dann jedoch keine empirischen Beispiele an, die diesen Einfluss nachweisen würden. Auch die Darstellung des Engagements von Arist in Finanzwirtschaft und Industrie (S. 92–93) ist eine kurze Aufzählung ohne breitere wirtschaftshistorische Kontextualisierung.

Gelungen ist das kurze Kapitel zur nationalen Identität, zu den kulturellen Adaptationsprozessen sowie zum Kosmopolitismus der Familie Mahs (S. 119ff.). Hier zeigt Sartor anhand empirischer Beispiele, wie sich die deutschstämmige Unternehmerfamilie in der multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft Odessas etablierte. Wie der Autor im Schlusskapitel allerdings betont, sind die Forschungsergebnisse zur Familie Mahs nicht ohne weiteres generalisierbar. Dies zeigt, dass weitere Fallstudien zu ausländischen Unternehmerfamilien im Zarenreich notwendig sind.

Martin Lutz, Konstanz

Zitierweise: Martin Lutz über: Wolfgang Sartor Das Haus Mahs. Eine internationale Unternehmerfamilie im Russischen Reich 1750–1918. Olearius Press S.-Peterburg 2009. ISBN: 978-5-901603-18-5., http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Lutz_Sartor_Haus_Mahs.html (Datum des Seitenbesuchs)

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