Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 2 (2012), 2 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Jan Lipinsky

 

Richard Buchner: Todfeinde – Komplizen – Kriegsbrandstifter: Der Hitler-Stalin-Pakt und die Folgen. Ein Essay. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2009, 208 S. ISBN: 978-3-86583-388-4.

Der flüssig geschriebene Essay Buchners schildert die deutsch-sowjetischen Beziehungen zu Beginn und während des Zweiten Weltkrieges sowie in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor dem allgemeineren Hintergrund der stalinistisch geprägten sowjetischen Außenpolitik und zugleich der aktuellen politischen Situation in Putins Russland. Er summiert gleichsam das lebenslange Forscher- und Lehrinteresse Buchners an diesen nicht nur für Ostmitteleuropa entscheidenden Jahren der deutsch-sowjetischen Kooperation und Konfrontation. Mit klaren Wertungen kreist der Essay um kommunistische und nationalsozialistische Verantwortung für die Entfesselung des Weltkriegs, für Völkermord, speziell für den Holocaust, sowie für den Kalten Krieg. Besonderes Augenmerk richtet Buchner neben der Betrachtung des Stalinismus und dessen Fortwirkens im heutigen Russland, neben der Darstellung der sowjetisch-polnischen Beziehungen auf die verschiedenen Abkommen zwischen Hitler und Stalin. Dass allerdings das deutsch-sowjetische Wirtschaftsabkommen vom 11.02.1940 tatsächlich „über Jahrzehnte in fast allen Fachpublikationen“ fehlte, dürfte zu pauschal formuliert sein. Buchner geht zudem gesondert und aus eigener langjähriger pädagogischer Erfahrung auf individuelle Schuld und gemeinsame Verantwortung sowie auf die Herausforderung der gemeinsamen Erinnerung an zwei Diktaturen in nur einer Gedenkstätte (z.B. Sachsenhausen bei Berlin) ein. Völlig zu Recht und mit bis heute in der aktuellen Diskussion oft vermisster Klarheit fordert er eine „Geschichte der Opfer“ ein, statt sich in „Aufrechnungsdiskussionen“ zu verlieren oder gar auf einem ideologischen Auge blind zu sein. Wo die Aktenlage unklar bleibt, scheut Buchner vor begründeten Vermutungen, z.B. zum Schicksal Nikolaj Bersarins, des sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin 1945 (S. 58, Anm. 81), nicht zurück.

Gut lesbar und gegliedert durch ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, zahlreiche rhetorische Fragen, kursive Hervorhebungen, schlagwortartige Absätze sowie leicht verständliche Formulierungen summiert Buchner den Forschungsstand, der allerdings mitunter (z.B. S. 52 f zur sowjetischen Kenntnis speziell Michail S. Gorbačevs als letztem Generalsekretär der KPdSU und zur Überlieferung des Geheimen Zusatzprotokolls zum Hitler-Stalin-Pakt) nicht ganz aktuell ist. Angesichts des umfangreichen behandelten Themas und seiner essayhaften Darstellung ist auch verzeihlich, dass manche Fakten nicht endgültig geklärt wurden, sondern Buchner mitunter mit „m. W.“ operiert (z.B. S. 63, Anm. 91). Ein weiterführendes bzw. die Belege in den Fußnoten bündelndes Literaturverzeichnis hätte das Bändchen, das als Streitschrift gegen Neostalinisten und kommunistische Apologeten (z.B. der Partei „Die Linke“) eine herausragende Bedeutung in der zeithistorischen politischen Bildung hat, noch zusätzlich aufgewertet.

Dem gesamten Text hätte eine Endbearbeitung gut getan, um Doppelungen bzw. Widersprüche zwischen Text und Fußnoten vor dem Druck zu beseitigen (z.B. S. 48, Anm. 64 bzw. S. 31: zur Urheberschaft Andrej A. Ždanovs an der Ždanov-Doktrin; S. 40, Anm. 47 bzw. S. 28 Anm. 25 zur Verwandtschaft des langjährigen sowjetischen Außenministers Vjačeslav M. Molotov mit Aleksandr N. Skrjabin).

Jan Lipinsky, Marburg

Zitierweise: Jan Lipinsky über: Richard Buchner: Todfeinde – Komplizen – Kriegsbrandstifter: Der Hitler-Stalin-Pakt und die Folgen. Ein Essay. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2009, 208 S. ISBN: 978-3-86583-388-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Lipinsky_Buchner_Todfeinde.html (Datum des Seitenbesuchs)

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