Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 2 (2012), 4 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Almut Bues

 

Andrzej Groth: Warenumschlag am Frischen Haff. Eine Handelsstatistik der kleinen Seehäfen (1581–1712). Köln [etc.]: Böhlau, 2009. VII, 382 S., 10 Tab.= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 64. ISBN: 978-3-412-20317-7.

Andrzej Groth hat sich seit geraumer Zeit mit dem Handel der Ostseehäfen am Frischen Haff 1581–1712 (1990), und dabei besonders von Braunsberg und Frauenburg 1638–1700 (1982, 1989), von Elbing 1585–1712 (1988, 2007), Memel 1664–1722 (1996) und Königsberg (1990) beschäftigt. Wir verdanken ihm umfangreiches statistisches Material. Im vorliegenden Buch werden die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin liegenden Königsberger und Pillauer Pfundzollregister ausgewertet (GStA PK, XX. Historisches Staatsarchiv Königsberg, Ostpreußische Folianten).

Die Häfen am Frischen Haff konnten seit dem 16. Jahrhundert allein durch das Pillauer Tief erreicht werden, wo für alle Häfen außer Königsberg der Zoll entrichtet wurde. Für Königsberg erfolgte die Erfassung des Warenumsatzes dagegen dreistufig. Einfahrende Schiffe hatten ihre Ware in der Pillauer Zollkammer zu deklarieren, worüber sie eine „Pfahlquittung“ erhielten. Die Hafeneinfahrt in Königsberg regelte der Schlagbaumschließer am Pregel, welcher nach Überprüfung die „Löschungsquittung“ ausstellte. Die dritte Kontrolle fand beim eigentlichen Löschen der Ladung im Hafen statt; sie stellte die Grundlage für den Eintrag in die Zollbücher der Rentkammer dar. Ähnlich gestaltete sich die Verzollung der auszuführenden Waren.

Der (großteils gleichlautende) Text der Einleitung wurde in einer weit besseren Übersetzung schon an anderer Stelle veröffentlicht (Andrzej Groth: Der Hafen in Königsberg. Funktion und Hinterland im 18. Jahrhundert, in: 750 Jahre Königsberg. Beiträge zur Geschichte einer Residenzstadt auf Zeit. Marburg 2008. =Tagungsberichte der Historischen Kommission für Ost- und Westpreußische Landesforschung, 23, S. 177–184.). Die Tabellen (S. 16–371) untergliedern sich in: 1. Die Königsberger Aus- und Einfuhr 1581–1645 (S. 18–169), unterschieden in Getreide und andere Waren, 2. Die Braunsberger Aus- und Einfuhr 1638–1712 (S. 170–317), ebenfalls getrennt in Getreide und Waren, sowie 3. Die kleinen Häfen 1638–1712 (S. 318–371). Ein Anhang (S. 372–382) mit Gewichten und Maßen, Verzeichnis der Handelswaren, Ortsregister, Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen sowie einem knappen Quellen- und Literaturverzeichnis beschließt den Band. Die Statistiken sind nicht neu, sie wurden schon 1990 veröffentlicht (Statystyka handlu morskiego portów Zalewu Wiślanego w latach 1581–1712. Wrocław [etc.] 1990. = Gdańskie Towarzystwo Naukowe, 92).

Hilfreich wäre die Abbildung einiger Beispielseiten der Zollregister gewesen, was ausführliche Erklärungen überflüssig gemacht hätte. Auch eine Karte des Frischen Haffs mit Lage und jetzigen Namen der Häfen könnte einige Zeitersparnis bringen. So muss der Benutzer herausfinden, dass Passarge/Passariendorf (Fischerdorf bei Braunsberg) Nowa Pasłęka ist. Ebenso wenig geläufig dürfte den meisten Lesern Caporn (Fischerdorf bei Fischhausen), Schneiderwinkel (Dorf bei Uderwangen) oder Wogram (Dorf bei Fischhausen) sein.

Während die Getreidestatistiken sehr übersichtlich sind, folgen die anderen Waren einer logischen, aber oft umständlichen Auflistung. 1665 werden nach Neue Passarge 18 Last Kalk aus Gotland eingeführt, was auf 8 Zeilen wiedergegeben ist (S. 353). Wie groß die Einfuhr an Kalk in diesem Jahr insgesamt war, muss man dagegen errechnen, nämlich 58 Last; in Braunsberg kam im gleichen Jahr nichts an (S. 302). Auch bei der Ausfuhr ist die Verbindung mit Braunsberg zu sehen. 1680 nahmen 4 Schock, 5 Stück Eichenplanken ihren Weg von Passarge nach London (S. 332); im gleichen Jahr verließen 333 Stück Eichenplanken Braunsberg mit Ziel Lissabon (S. 240). Das waren fünf Mal so viel wie in Passarge, stellt man nach Errechnung der dortigen 65 Stück fest. Warum, so fragt man sich, wurden 1684 insgesamt 11 Ring, 18 Stück [=258 Stück] Eichenplanken nach Hull aus Caporn (S. 334) und nicht aus Fischhausen ausgeschifft? Die Abwicklung der Ein- und Ausfuhr über Schneiderwinkel im Jahre 1701 war sicher kriegsbedingt (S. 339, 367). Nicht erklärt sind beispielsweise die Bezeichnungen bei Pfeffer in Stein, Pfund, Ballen, Sack, Reichstaler (S. 131). Während Stein und Pfund bei Schiffspfund zu finden ist (S. 372), bleiben die Maße von Ballen (in diesem Fall kein Papiermaß) und Sack unklar. Bedeuten die Reichstaler eine zusätzliche, nicht in Gewicht spezifizierte Pfeffermenge oder den Gesamtwert der Ladung?

Für einige häufig wiederkehrende Artikel wie Flachs, Hanf oder eben Kalk aus Gotland wäre eine eigene Tabellierung benutzerfreundlicher. So sucht man die einzelnen Daten mühsam heraus, um zu Gegenüberstellungen zu kommen. Konnte der Kalk, der fast immer in Pillau gelöscht wurde, nicht nach Frauenburg gelangen, wurde er in Fischhausen abgeladen. Hier erkennt man sofort das Spannende und Wertvolle dieser Statistiken; sie werfen unzählige Fragen auf und regen zu Gedankenspielen an. Interessant wäre nachzuforschen, ob in den Archiven, z.B. in Amsterdam, ergänzende Quellen liegen. So könnte wieder ein Mosaikstein zu einer Geschichte der Ostseehäfen geschlossen werden.

Almut Bues, Warschau

Zitierweise: Almut Bues über: Andrzej Groth: Warenumschlag am Frischen Haff. Eine Handelsstatistik der kleinen Seehäfen (1581–1712). Köln [etc.]: Böhlau, 2009. VII, 382 S., 10 Tab.= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 64. ISBN: 978-3-412-20317-7, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Bues_Groth_Warenumschlag_am_Frischen_Haff.html (Datum des Seitenbesuchs)

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