Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
Ausgabe: 59 (2011) H. 1
Verfasst von:Aleksandar Jakir
Stevan K. Pavlowitch Hitler’s New Disorder. The Second World War in Yugoslavia. New York: Columbia University Press, 2008. XIX, 333 S., 5 Ktn., 6 Abb. ISBN: 978-0-231-70050-4.
Stevan K. Pavlowitch hat mit dem vorliegenden Buch eine gut lesbare Gesamtdarstellung des komplexen Geschehens während des Zweiten Weltkriegs auf dem Gebiet Jugoslawiens vorgelegt. Der Verfasser stellt in fünf chronologisch fortlaufenden Kapiteln kenntnisreich, weil aufbauend auf mehreren Jahrzehnten eigener Forschung und Beschäftigung mit dem Thema, seine Deutung der überaus blutigen und gewalttätigen Ereignisse in den Jahren 1941–1945 zur Diskussion, die in den post-jugoslawischen Gesellschaften bis heute nachwirken. Das erste Kapitel stellt den Zeitraum von August 1939 bis April 1941 dar und beschreibt das „Ende des Königreichs Jugoslawien“ (S. 1–20). Das zweite Kapitel analysiert das „zerbrochene Jugoslawien“ und „Hitlers Neue Unordnung“ (S. 21–89). Das dritte Kapitel ist den „sich selbst überlassenen Aufständischen bis 1942“ (S. 91–150) gewidmet. Das vierte Kapitel behandelt die „ausbleibenden Alliierten; Italiens Rückzug 1943“ (S. 151–214). Kapitel 5 stellt die Kommunistische Partei Jugoslawiens und deren „Befreiung, Eroberung und Wiederherstellung Jugoslawiens – Januar 1944 bis Mai 1945“ (S. 215–270) ins Zentrum der Betrachtung. Das Abschlusskapitel (S. 271–282) zieht Bilanz und steht unter der Überschrift „Tod und Wiedergeburt Jugoslawiens“. Eine Auflistung der „dramatis personae“ (S. 283–290), eine Zeittafel (S. 291–298), eine Bibliographie (S. 299–315), ein Personen- und Sachindex (S. 317–333) sowie Illustrationen und Karten runden den Band ab.
Nachdem die deutsche Wehrmacht am 6. April 1941 das Königreich Jugoslawien überfallen und innerhalb von wenigen Tagen zur Kapitulation gezwungen hatte, wurde schnell deutlich, dass der Einmarsch der Achsenmächte das sofortige Auseinanderfallen Jugoslawiens und den Beginn der Abrechnung der verschiedenen Nationalismen auf dem Gebiet des ehemaligen Gesamtstaates untereinander auslöste. Diese hatten sich bereits vorher unversöhnlich gegenübergestanden. Der mit deutscher und italienischer Unterstützung am 10. April 1941 ausgerufene sogenannte „Unabhängige Staat Kroatien“ (USK) erkannte nicht nur die deutschen Kapitulationsbedingungen an, sondern er wurde zu einem Verbündeten des nationalsozialistischen Deutschland. Sowohl in Kroatien als auch in anderen Teilen des ehemaligen jugoslawischen Staates fanden sich jedoch große Teile der Bevölkerung weder mit der Okkupation noch mit dem neu installierten Regime ab. Dies schuf die Grundlage für den einsetzenden hartnäckigen Widerstand. Sowohl der Führer der serbischen Tschetnik-Milizen, Draža Mihailović, der monarchistische Ziele verfolgte, als auch der Kroate Josip Broz, genannt Tito, an der Spitze der Kommunistischen Partei, stellten Widerstandsgruppen auf. Krieg und Besatzung kosteten Hunderttausende das Leben. Der Krieg 1941–1945 auf dem Gebiet des späteren Jugoslawien wurde von allen Seiten mit erbitterter Härte und unter großen Verlusten insbesondere für die Zivilbevölkerung geführt. Die den Kampf noch verschärfende revolutionäre Komponente – die bis Kriegsende aus politischen Opportunitätserwägungen heraus nach außen versucht wurde möglichst in den Hintergrund treten zu lassen – existierte bei den kommunistisch geführten Partisananverbänden von Anfang an. Am Ende triumphierte die sogenannte „Volksbefreiungsarmee“ unter Marschall Tito im Kampf gegen die Besatzungsmächte Deutschland, Italien und Ungarn, gegen die kroatischen Ustaša- und Heimwehr (Domobrani-)Verbände, die slowenischen Domobranci und gegen die serbischen nationalistisch-monarchistischen Tschetniks.
Innerhalb des Kampfes der antifaschistischen Verbände lassen sich mindestens drei Komponenten unterscheiden: der von der Kommunistischen Partei angeführte Aufstand gegen die Besatzungsmächte, der gleichzeitig eine revolutionär-ideologische Ausrichtung hatte; der von der genozidhaften anti-serbischen Politik des USK ausgelöste Aufstand der Serben auf dem Gebiet des kroatischen Staates und schließlich der kroatische Widerstand in den von Italien anektierten Gebieten Dalmatiens, im Küstengebiet und im Gorski Kotar. Diese unterschiedlichen Motive, Frontstellungen, sich wandelnden Allianzen etc. werden vom Verfasser plastisch beschrieben.
Die vorliegende Darstellung hätte noch an Gewicht gewonnen, wenn manche neuere Untersuchungen, insbesondere zu den äußerst kontrovers diskutierten Opferzahlen wie auch zu verschiedenen Aspekten der deutschen Besatzungspolitik, vom Verfasser berücksichtigt worden wären (was an dieser Stelle aus Platzgründen leider nicht weiter ausgeführt werden kann). Leider hat auch die Tatsache, dass bereits am Tag des deutschen Angriffs auf die UdSSR, am 22. Juni 1941, im Wald Brezovica bei Sisak in Kroatien von knapp zwei Dutzend jungen Kommunisten die erste Partisaneneinheit gegründet wurde, keine Erwähnung gefunden, obwohl es sich dabei wohl um die erste antifaschistische Militäreinheit nicht nur in Kroatien, sondern im ganzen späteren Jugoslawien und Südosteuropa handelte.
Dass es sich bei dem vorliegenden Werk tatsächlich um das „complete portrait of this complicated history“ und „a definitive history of what Yugoslavs endured on both the Axis and the Allied sides“ handelt, wie es in der Werbung des Verlags behauptet wird, scheint dem Rezensenten zweifelhaft, aber einen gewichtigen Beitrag zum Verständnis der Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs hat Stevan K. Pavlowitch mit seiner Gesamtdarstellung sicherlich vorgelegt.
Aleksandar Jakir, Split
Zitierweise: Aleksandar Jakir über: Stevan K. Pavlowitch Hitler’s New Disorder. The Second World War in Yugoslavia. Columbia University Press New York 2008. XIX, ISBN: 978-0-231-70050-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Jakir_Pavlowitch_Hitler_s_New_Disorder.html (Datum des Seitenbesuchs)
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