Die vierzigste National Convention der „American Association for the Advancement of Slavic Studies“ (AAASS) fand vom 20. bis 23. November 2008 in Philadelphia statt. Registriert waren ungefähr 1650 Teilnehmer, die an ca. 260 Panels und Roundtables mitwirkten. Der Anteil an Teilnehmern von außerhalb der USA dürfte nicht höher als 10 % gewesen sein. Erfreulich war die gleichmäßige Vertretung aller in den Fächern aktiven Alterskohorten. Ablauf und Organisation folgten ganz den bewährten Mustern der vergangenen Jahre. Anders als beim Deutschen Historikertag wird kein kulturelles Begleitprogramm angeboten. Wer möchte, braucht während der vier Tage den Tagungsort im Hotelkomplex kein einziges Mal zu verlassen. Nicht nur AAASS, sondern auch die zahlreichen spezielleren Verbände unter dem Dach von AAASS hielten ihre Mitgliederversammlungen ab. Die „Association for the Study of Eastern Christianity“ verband ihre Mitgliederversammlung mit der Überreichung der Festschrift „Rude & Barbarous Kingdom Revisited“ an Robert Crummey, einen der profiliertesten amerikanischen Altrussland-Historiker. Im Rahmen der Konferenz stellten zumeist amerikanische Verlage ihre neueren und Neuerscheinungen mit Bezug auf das östliche Europa vor. Neben der Präsentation eigener Forschungen und der Möglichkeit, sich durch den Besuch von weiteren Panels über aktuelle Forschungstendenzen in der Nähe oder auch Ferne von den eigenen Arbeitsgebieten zu informieren, dürfte die Möglichkeit zu Gesprächen und Absprachen mit alten und neuen Bekannten für die meisten gleichermaßen von Bedeutung gewesen sein. Es ist – mutmaßlich auch aus der Sicht der Organisatoren – bedauerlich, dass auf der National Convention in der Vielzahl der oft kleinen Räume nur ausnahmsweise Tageslichtprojektoren oder Beamer zur Verfügung gestellt werden, denn für manche Vorträge wäre eine mediale Unterstützung gewiss von Vorteil gewesen. Einzelne Referenten behalfen sich mit der Verteilung von kopierten Handouts.
Was die Themenverteilung betrifft, so bleibt es bei der überwältigenden Vorrangstellung der Geschichte und Gegenwart Russlands; das gilt auch für die Verteilung der Titel auf der Buchausstellung. Während sich die historische Forschung bis vor wenigen Jahren noch auf die Zeit von ca. 1860 bis 1945 konzentrierte, waren jetzt Themen zur sowjetischen Geschichte nach 1945 bzw. zur Geschichte der sozialistischen Staaten einschließlich der Jahre der Transition schon viel zahlreicher vertreten. Während zur Altrussland-Forschung eine Reihe von meist gut besuchten Panels angeboten wurde, war die ältere Geschichte aller anderen Räume des östlichen Europa in geradezu frappierend geringem Maße präsent. Wenn man nach inhaltlichen Schwerpunkten fragt, so standen Themen zu gender und Körper ganz im Vordergrund. (Eine systematische Analyse der Programme der „National Conventions“ über einen längeren Zeitraum hinweg könnte durchaus eine reizvolle Aufgabe sein.) Wenn sich Panels auf die Geschichte oder Kultur nur eines einzelnen „kleinen“ Landes bezogen, litten sie öfters unter recht bescheidenem Besuch, da sich nur der enge Kreis der Spezialisten bzw. Landeskenner angesprochen fühlte. Hier wäre es wahrscheinlich sinnvoller, Panels mit länderübergreifenden gemeinsamen Fragestellungen zu bilden. Aber auch Faktoren wie zeitgleiche Veranstaltungen zu ähnlichen Themen oder zeitliche Randlagen konnten die Teilnehmerzahl erheblich beeinflussen.
Im Vergleich zum Deutschen Historikertag mit seinen verhältnismäßig wenigen, aber dafür viel länger dauernden und zahlreicher besuchten Sektionen und auch mit seinem Versuch, zum jeweiligen Rahmenthema gewisse inhaltliche Brücken über alle Sektionen hinweg zu schlagen, wirkt die „National Convention“ viel bunter und weniger strukturiert. Sie ist ein „Markt der Möglichkeiten“, bei dem es vor allem darum geht, möglichst vielen die aktive Teilnahme zu ermöglichen und aktuelle Forschungstrends in größtmöglicher Breite vorzustellen.
Ludwig Steindorff, Kiel
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