Jahrbücher für Geschichte Osteuropas
Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz
Chronikbeitrag aus: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 63 (2015), H. 3 S.
Verfasst von: Michael Schippan
Günter Rosenfeld (1926–2015) zum Gedenken
Am 16. April 2015 verstarb in Berlin der Osteuropa-Historiker Günter Rosenfeld nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 88 Jahren. Für seine Verdienste um die Erforschung der russischen Geschichte wurde ihm 1984 von der Moskauer Staatlichen Lomonosov-Universität die Würde eines Ehrendoktors verliehen.
Geboren am 2. September 1926 in der ostpreußischen Stadt Osterode, lernte Günter Rosenfeld als Soldat die Schrecken des Zweiten Weltkrieges kennen. In der Kriegsgefangenschaft zog er sich ein gesundheitliches Leiden zu, das ihn noch jahrzehntelang belasten sollte. Weil er, wie er selbst bekannte, das Geflecht von Tatsachen, Ereignissen, menschlichem Verhalten und weit tragenden Entscheidungen politisch Verantwortlicher offenlegen wollte, die zu der folgenschweren Konfrontation im Krieg geführt hatten, absolvierte er von 1948 bis 1952 ein Studium der Geschichte und der Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. In Übereinstimmung mit den Forschungsinteressen seines wissenschaftlichen Mentors Eduard Winter legte Günter Rosenfeld eine Abschlussarbeit über den Hallenser Pietisten und Russlandreisenden Justus Samuel Scharschmid (1664–1724) vor.
Anschließend wandte er sich der Untersuchung der deutsch-sowjetischen Beziehungen im 20. Jahrhundert zu, die zum großen Thema seiner weiteren Forschungen werden sollten. 1956 verteidigte er bei Eduard Winter erfolgreich seine Dissertation, die 1960 unter dem Titel Sowjetrußland und Deutschland 1917–1922 (2. Auflage 1984) erschien. Da Günter Rosenfeld 1965 in seiner Habilitationsschrift, in der er die Erforschung der Beziehungsgeschichte für den Zeitraum von 1922 bis 1933 fortsetzte, ‚Tabuthemen‘ der DDR-Geschichtsschreibung wie die Zusammenarbeit zwischen Roter Armee und Reichswehr behandelte, konnte dieses Buch erst 1984 in überarbeiteter Form erscheinen. 1966 zum Ordentlichen Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin berufen, wurde Günter Rosenfeld 1991 emeritiert.
In dem gemeinsam mit Kurt Pätzold herausgegebenen Dokumentenband Sowjetstern und Hakenkreuz 1938 bis 1941 konnten 1990 nunmehr ungehindert Dokumente zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen in dieser Periode veröffentlicht werden. Die 1999 von Günter Rosenfeld in deutscher Übersetzung vorgelegten Erinnerungen des letzten Hetmans Pavlo Skoropads’kyj (1873–1945) an die Jahre 1917–1918 sind wertvoll für das Verständnis der Herausbildung der ukrainischen Staatlichkeit.
Günter Rosenfeld suchte immer nach Kräften, jüngeren Mitarbeitern und Studenten zu helfen. Durch seine warmherzige menschliche Ausstrahlung bleibt er all jenen, die ihn gekannt haben, in dankbarer und überaus angenehmer Erinnerung. Obwohl der Autor dieser Zeilen nach seinem Spezialstudium und seiner Aspirantur an seinem Lehrstuhl vorwiegend eine andere Periode der russischen Geschichte bearbeiten sollte, bekennt er gern, ein „Rosenfeld-Schüler“ zu sein.
Michael Schippan, Wolfenbüttel
Dr. Michael Schippan ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 38304 Wolfenbüttel, Lessingplatz 1 (schippan@hab.de).
Zitierweise: Michael Schippan: Günter Rosenfeld (1926–2015) zum Gedenken in: Jahrbücher für Geschichte Osteuroas 63 (2015), H. 3, S. , http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Chronik/Schippan_Nachruf_Rosenfeld.html (Datum des Seitenbesuchs)
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