Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reivews 6 (2016), 4 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Krista E. Zach

 

  1. Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Arno Strohmeyer / Norbert Spannenberger. Stuttgart: Steiner, 2013. 389 S., 7 Abb. = Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, 45. ISBN: 978-3-515-10434-0.

    Ein Raum im Wandel. Die osmanisch-habsburgische Grenzregion vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Norbert Spannenberger / Szabolcs Varga. Stuttgart: Steiner, 2014. 308 S., 12 Abb. = Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Europa, 44. ISBN: 978-3-515-10428-9.

Inhaltsverzeichnisse:

http://d-nb.info/1041892314/04

http://d-nb.info/1050885791/04

 

Die beiden Tagungsbände aus dem GWZO in Leipzig (die entsprechenden internationalen Fachtagungen fanden dort im Februar 2007 unter dem Titel Between the Ottoman and the Christian Worlds – Frontiers in Early Modern Europe bzw. im Oktober 2009 in Salzburg unter der Überschrift Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen: Das Osmanische Reich in Europa [16.–18. Jahrhundert] statt) widmen sich auf den ersten Blick unterschiedlichen, teilweise jedoch auch komplementären Aspekten des Themas „‚Raum im Wandel“ in multikulturellen osmanisch-habsburgischen (sowie -polnischen) Grenzgebieten vom 16. bis 18. Jahrhundert, wobei in beiden Sammelbänden zwar auch übergreifende Aspekte (siehe die Aufsätze von E. Petritsch, M. Koller, D. Kołodziejczyky, G. Işıksel, A. Strohmeyer, H. Rudolph, E. Bóka), mehrheitlich aber Einzelfragen behandelt werden. Die dabei generell verfolgte Zielsetzung war es einerseits, „die von der Forschung weitgehend vernachlässigten Dimensionen der habsburgisch-osmanischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit zu erschließen“ (Vorwort der Herausgeber in Frieden und Konfliktmanagement, S. 9), andererseits langlebige Stereotype sowie historiographische und populärwissenschaftliche Vorurteile bzw. symbolhafte Ideologeme von „Erzfeind“ oder „Türkengräuel“ bis „Kreuzzug“/„Heiliger Krieg“ zu hinterfragen, wobei die auf beiden Seiten propagandistisch eingesetzten Feind-Topoi konkretisiert und gegebenenfalls zurechtgerückt werden. Da in Graz, München und Wien zu den habsburgisch-osmanischen Beziehungen seit der Gründung verschiedener Osteuropa-Institute und -Seminare im deutschen Sprachraum nach 1920 kontinuierlich geforscht worden ist, hieße es allerdings korrekterweise besser: „die von der jüngeren Forschung vernachlässigten Dimensionen“, wobei dazu die hier breit zu Wort kommende „friedliche Dimension“ in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen sowie die „bewegliche(n) Grenzräume“ (Vorwort der Herausgeber in Frieden und Konfliktmanagement, S. 9 und 10) gehören. Beide Bände stellen in einleitenden Kapiteln die nachfolgenden Beiträge kurz vor, und insbesondere die Herausgeber von Raum im Wandel sind bemüht, die zahlreichen, zum Teil kleinteilig-speziellen, wenn auch interessanten Themen als bedeutsam erscheinen zu lassen – was der Rezensentin nicht immer zwingend schlüssig erscheint. Dazu gehört etwa Das Ungarnbild im Illyrismus von Dénes Sokcsevits u.a.m.

Grenze“ ist das Schlüsselwort vieler der 17 Beiträge in Ein Raum im Wandel. Es konkretisiert sich in den unterschiedlichen Vorstellungen von Grenz- und Machträumen zwischen dem islamischen Konzept vom „Haus des Krieges“, der „beweglichen Grenze“ und der „Granitz“ oder Militärgrenze der Habsburger, der sog. „Habsburgisierung“ bzw. „Osmanisierung“ Südosteuropas im 16./17. Jahrhundert sowie auch als ‚mentale Grenze‘ in Propaganda und Literatur oder als Formen der Grenzüberschreitung in sog. Kondominien steuerlicher oder religiöser Art. Markus Koller, einer der namhaften deutschen Forscher zum Thema (Markus Koller: Eine Gesellschaft im Wandel. Die osmanische Herrschaft in Ungarn im 17. Jahrhundert [1606–1683]. Stuttgart 2010; siehe auch die Besprechung des Titels in den JGO 62 [2014] S. 133–134), nimmt in Grenzwahrnehmung und Grenzmacht (in Ein Raum im Wandel, S. 9–22), in ähnlicher Art und Weise wie schon in seiner Monographie Bezug auf das Grenz-condominium in Südosteuropa und die Militärgrenze vom Mittelmeer bis nach Siebenbürgen, die er als Element offensiver Außenpolitik kennzeichnet (S. 15). Dariusz Kołodziejczyky verweist nach einer pointierten Einführung in seinem Aufsatz Ottoman Frontiers in Eastern Europe auf die bahnbrechenden US-amerikanischen Beiträge zum Konzept der open frontiers (in Ein Raum im Wandel, S. 25–37 – vergessen scheinen dagegen die dasselbe meinenden, etwas allgemeineren Formulierungen eines J. Farkas von den „wandernden Grenzen“ und den sich dazwischen bewegenden „wandernden Völkern“ im südöstlichen Europa. Julius Farkas: Südosteuropa. Ein Überblick. Göttingen 1955, S. 7), und demontiert dabei einige langlebige historiographische Vorurteile von beiden Seiten (S. 35), während Ernst D. Petritsch aus der Analyse der Friedensverträge von Zsitvatorok (1506) und Karlowitz (1699) (in Ein Raum im Wandel, S. 39–52) dies konkretisiert, wenn er festhält, dass nicht ‚Grenzen‘ im modernen Sinn, sondern variable Einflussräume wie u. a. Festungen von beiden Kontrahenten als Einflussbereiche bzw. Trennmarken angesehen wurden. Norbert Spannen­berger weist anhand einer Einzelgruppe, der „Raizen“ im 16./18. Jahrhundert, nach, dass Migration nach beiden Richtungen stattfand (in Ein Raum im Wandel, S. 87–112); allerdings hatte die Serbenmigration bereits im 15. Jahrhundert, z. B. ins Banat, längst begonnen. Bei Antal Molnár, der Bekanntes aus seinen eigenen Aufsätzen zusammenfasst (in Ein Raum im Wandel, S. 181–196), erscheint der Aspekt der Raumüberschreitung konfessioneller Gruppen zu unscharf. Auch beschränkt er sich auf Katholiken, während andere Regionen des Missionsbistums Belgrad wie Syrmien, Slawonien, das Banat und Siebenbürgen ebenso wie die Orthodoxen in diesem Raum in seinem Überblicksbeitrag, der nur Ungarn in seinen aktuellen Grenzen berücksichtigt, fehlen.

Der Band Frieden und Konfliktmanagement zieht in der Einleitung der Herausgeber (S. 11–28) neben einer Kurzvorstellung der nachfolgenden Beiträge dankenswerterweise auch Bilanz zum Hauptthema – etwa, zum Konzept des Buches, das u. a. nachweist, Frieden sei in dieser europäischen Region nicht nur die Abwesenheit von Krieg, Krieg nicht nur ein „mit Wort und Tat eindeutig erklärter Zustand“ (S. 18) gewesen. „Tiefe Brüche“ kennzeichneten die osmanisch-habsburgischen Beziehungen – geschuldet der Religion als politischer Instrumentalisierung von Machtstreben sowie der „imperialen Mission“, die beide Kontrahenten über Jahrzehnte intensiv verfolgten, und gleicherweise auch bedingt durch politische Legitimierung und Eroberungsideologien zwischen „Heiligem Krieg“ und „Kreuzzug“. Dabei spielten die vielen „kulturellen Unterschiede zwischen Osmanen und Europäern“ die entscheidende Rolle; sie machten die zahlreichen „Differenzen“ im „Konfliktmanagement“ aus, um die beide Seiten bemüht gewesen seien (S. 19). Erhellend ist auch eine weitere Bilanz: Acht „Türkenkriegen“ zwischen Habsburg und dem Osmanenreich stehen 65 Friedens- oder Waffenstillstandsverträge und sonstige Absprachen gegenüber; acht „Türkenkriegen“ mit Venedig immerhin 50 derartige Verträge (S. 11). Verweise auf weiterführende und Basisliteratur bereichern des Weiteren diese Einleitung.

Die 21 Beiträge in diesem Band sind passend in vier Abschnitte gegliedert: 1. „Friedenspolitik und Konfliktvermeidungsstrategien mit Bezug auf Siebenbürgen (unter Wladislaw II., Ludwig II. und Stefan Báthory) sowie Slawonien, Venedig, Istanbul und Wien; 2. Friedensverträge und Waffenstillstandsabkommen mit ihren lokalen wie internationalen Auswirkungen vom Westfälischen Frieden 1649, an dem Siebenbürgen als einziger osmanischer ‚Untertan‘ teilnahm, bis zu den Friedensschlüssen von Eisenburg (1664) und Karlowitz (1699), wobei hier der sehr kompakte Beitrag von E. D. Petritsch Dissimilieren in den habsburgisch-osmanischen Friedens- und Waffenstillstandsverträgen (16.–17. Jahrhundert): Differenzen und Divergenzen (S. 145–161) hervorzuheben ist; 3. Diplomatie und Diplomaten, einen Abschnitt, in dem vor allem der Beitrag von Arno Strohmeyer: Die habsburgisch-osmanische Freundschaft (16.–18. Jahrhundert) (S. 223–238) herausragt; und schließlich 4. Krieg und Frieden im Diskurs, der u. a. den knappen, aber aufschlussreichen Beitrag von Ėva Bóka From Holy War to Balance of Power: Europe and the Ottoman Empire (16th–17th Century) enthält (S. 333–341).

In zahlreichen Beiträgen dieses Bandes wird neue, oft eigene Forschung referiert, was ihn gewinnbringend heraushebt. Auch wurde hier abschließend zumindest ein Autorenverzeichnis beigegeben, und da das Buch auch als E-Book erschienen ist, mag das fehlende Register verschmerzbar sein, was im Fall des Bandes Raum im Wandel ein ärgerlicher Mangel ist.

Krista Zach, München

Zitierweise: Krista E. Zach über: Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Arno Strohmeyer und Norbert Spannenberger. Stuttgart: Steiner, 2013. 389 S., 7 Abb. = Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, 45. ISBN: 978-3-515-10434-0. Ein Raum im Wandel. Die osmanisch-habsburgische Grenzregion vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Norbert Spannenberger und Szabolcs Varga. Stuttgart: Steiner, 2014. 308 S., 12 Abb. = Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Europa, 44. ISBN: 978-3-515-10428-9, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Zach_SR_Habsburger_Reich_Osmanisches_Reich.html (Datum des Seitenbesuchs)

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