Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 2 (2012), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Jörn Happel

 

Emperor Sigismund and the Orthodox World. Ed. by Ekaterini Mitsiou, Mihailo Popović, Johannes Preiser-Kapeller und Alexandru Simon. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010. 158 S. = Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften, 410; Veröffentlichungen zur Byzanzforschung, 24. ISBN: 978-3-7001-6685-6.

Der Band stellt eine Auswahl von sechs, teils erheblich erweiterten Beiträgen von ursprünglich 78 vor, die im Dezember 2007 in Oradea (Großwardein/Nagyvárad, dem Ort seiner Grablege) auf der Tagung „Sigismund of Luxemburg and His Time“ in Kurzfassung vorgelegt worden waren (Sigismund of Luxemburg and His Time. Oradea, December 6–9, 2007. Foreword, Conference Program, Abstracts. Ed. by Florina Ciure ans Alexandru Simon. Oradea: Editura Muzeului Ţării Crişurilor, 2007. 172 S.); der Beitrag von Julia Dücker kam neu hinzu.

Vergleicht man Inhalt und Titelgebung beider Veröffentlichungen, fällt auf, dass die Österreichische Akademie sich entschloss, für vorliegende Publikation nur einige Tagungsbeiträge zum Schwerpunkt Byzantinistik auszuwählen, zudem Beiträge ihrer eigenen Mitarbeiter, wenngleich der Buchtitel ein darüber weit hinausgehendes Forschungsfeld suggeriert. Das für die Tagung in Oradea 2007 vage umgrenzte Thema kündigt demgegenüber große Vielfalt an, die sich in der ersten Abteilung (A) auch wieder findet, in den beiden folgenden (B und C) jedoch deutlich auf das südöstliche Europa verengt aufscheint. Daher sei die Frage nach den Kriterien erlaubt, welche die Wiener Herausgeber bei ihrer eng begrenzten Auswahl geleitet haben mögen. Viele Themen aus dem riesigen Tagungsprogramm von 2007 zum breiten südosteuropäischen Wirkungsfeld Sigismunds von Luxemburg hätten, trotz karger Quellenlage, interessante Ergänzungen zu den Beiträgen des Wiener Bandes ergeben. So u. a. seine Aufenthalte in Severin, Câmpulung/Langenau und an anderen Orten der Region; die Geschichte des vom König zur Türkenabwehr nach der verlorenen Schlacht bei Nikopolis gestifteten Drachenordens (1408), mit dem auch südosteuropäische ‚Ritter‘ wie sein rumänischer Trägers Vlad III. Drăculea angeworben wurden; die Kontextualisierung der unterschiedlichen Gruppen von Kirchenunionsbefürwortern und Gegnern auch außerhalb von Byzanz – um nur einige zu nennen.

Sigismund von Luxemburg (1368–1437), König von Ungarn (ab 1387), Böhmen (ab 1419) und sowie Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation (ab 1433) musste zeitlebens seine Legitimität sichern, wozu nicht zuletzt das weit gespannte Netz seiner Kirchen- und Balkanpolitik diente. Auf dem von ihm einberufenen Konstanzer Konzil gelang ihm als „arbiter“ die Beilegung des Schismas in der katholischen Kirche, nicht aber ein modus vivendi in der Hussitenfrage (s. auch Julia Dückers Beitrag über das ‚Krönungsprojekt‘ in Litauen als gescheiterter Teil von Sigismunds ‚Ostpolitik‘). Die Überwindung des Großen Schismas von Ost- und Westkirche gehörte zu den ‚Traumzielen‘ Sigismunds. Dem vielgestaltigen Thema werden mit den Beiträgen von Dan Ioan Mureşan („Une histoire des trois empereurs“ – einer Studie von über 60 S.) und tangentiell auch von Ecaterini Mitsiou („Vier byzantinische rhetorische Texte auf westliche Herrscher“) einige neue Facetten hinzugefügt. Das gilt insbesondere auch für Johannes Preisler-Kapellers „Denn der Krieg umschließt uns von allen Seiten“‚ der knapp auch die ‚Unionisten’ unter den Metropoliten von Kiev erwähnt und ihnen die der Union abgeneigte Mehrheit des Klerus in Byzanz gegenüberstellt. Letztere leitete seit der Belagerung Konstantinopels 1407 ein wachsendes Vertrauen auf spirituelle „Wunder“ – die Hilfe der Gottesmutter, versinnbildlicht in der bekannten Marienikone – anstelle politisch bestimmten Handelns, wie es vor allem der Kaiser des Westens versucht hatte. Dem Beitrag ist ein instruktiver Anhang mit der patriarchalen und kaiserlichen Schreiben und Gesandtschaften zwischen 1396 und 1402 in dieser Angelegenheit beigegeben (S. 116–125).

Vorwiegend mit der Balkanpolitik Sigismunds im Zeitraum 1380–1400 beschäftigt sich Alexandru Simon („Annus mirabilis 1387: King Sigismund, the Ottomans and the Orthodox Christians“, einer ebenfalls ausgeweiteten, weitgehend deskriptiven und nicht viel Neues bringenden Studie. Die beiden langen Beiträge der rumänischen Autoren sollen offenbar dem Titelthema dieses Bandes gerecht werden. Wie hier, greifen auch in den meisten anderen Arbeiten die beiden zentralen Zielrichtungen von Sigismunds Ost- und Südosteuropapolitik – Einheit der Christenheit durch Überwindung des Großen Schismas und Türkenabwehr – ineinander. Das geschieht auch symbolisch in den knappen Ausführungen von Mihailo Popović über den Drachenorden und seinen vornehmen serbischen Träger Despot Stefan Lazarević – ein noch viel zu wenig erforschtes Thema, wie der Verfasser festhält.

Die Wahl der Studie „D’Henri VII à Sigismond de Luxembourg: une dynastie impériale à l’epreuve du poisson“ von Franck Collard über Giftmord im dynastischen Kontext – einer bekanntlich vor allem den Byzantinern zugeordneten Methode – wirkt in diesem Band, auch wenn interessant, etwas beliebig. Da hätten andere Tagungsbeiträge sicherlich mehr eingebracht. Dass die Mitarbeiter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit dem Mitherausgeber der rumänischen Publikation, A. Simon, dennoch zumindest einige der in Oradea 2007 vorgetragenen Referate, und dies in sehr gepflegter Edition, herausgaben, verdient jedoch große Anerkennung.

Krista Zach, München

Zitierweise: Jörn Happel über: Emperor Sigismund and the Orthodox World. Ed. by Ekaterini Mitsiou, Mihailo Popović, Johannes Preiser-Kapeller und Alexandru Simon. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010. 158 S. = Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften, 410; Veröffentlichungen zur Byzanzforschung, 24. ISBN: 978-3-7001-6685-6, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Zach_Mitsiou_Emperor_Sigismund.html (Datum des Seitenbesuchs)

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