Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1 (2011), 3 Rezensionen online

Verfasst von: Georg Wurzer

 

Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991. Hrsg. von Andreas Hilger. München: Olden­bourg, 2009. 293 S. = Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 99. ISBN: 978-3-486-59153-8.

Dieses ambitionierte Sammelwerk ist einem im deutschen Sprachraum – im Gegensatz zum englischen – bislang wenig beachteten Thema gewidmet. Es soll die Bandbreite von Forschungsansätzen über die Beziehungen der Nachkriegssowjetunion zu den Ländern der sogenannten Dritten Welt aufzeigen. Dabei werden über eine Beschreibung des etablierten Forschungsstandes hinaus neue Erkenntnisse vermittelt.

Der Vielschichtigkeit des Sujets trägt der Herausgeber geschickt Rechnung, indem er 13 Fallstudien chronologisch entlang herausragender Ereignisjahre und -orte organisiert. Das Autorenteam, eine interessante Mischung aus jungem Nachwuchs und arrivierten Forscherinnen und Forschern, stellt jeweils ein zentrales Ereignis in den Mittelpunkt und zeigt dann im Rahmen der spezifischen Methode dessen Vor- und Nachgeschichte sowie Ursachen und Folgen auf. Es bewältigt diese Aufgabe in der Regel vorbildlich, wobei die Beiträge von Bernhard Chiari über Kabul 1979, Bernd Schäfer über Phnom Penh / Saigon 1975 und Ragna Boden über Jakarta 1965 besondere Erwähnung verdienen. Viele Verfasserinnen und Verfasser können auf gründliche Archivarbeit und eine zum Teil verblüffende Kenntnis von für Westeuropäer ungewöhnlichen Sprachen verweisen.

Einige Aufsätze überzeugen aber nicht ganz. So stützt sich Wiebke Bachmann über Tel Aviv 1948 zu großen Teilen nur auf eine einzige russische Quellenedition. Auch kann Elizabeth Bishop das besondere Potential ihres Gender-Ansatzes am Beispiel von Assuan 1959 nicht verdeutlichen. Christopher Andrew und Kristian Gustafson stellen über Santiago de Chile 1970 zu sehr die Rolle des KGB heraus, so dass der mindestens ebenso prominente Anteil des CIA an den Ereignissen zu sehr in den Hintergrund tritt. Warum ein Aufsatz über die Südafrika-Politik der DDR in das Werk über sowjetische Beziehungen zur „Dritten Welt“ aufgenommen wurde, kann der Herausgeber nicht schlüssig begründen. Besser wäre ein Beitrag zu Peking 1960 gewesen, um die Wurzeln der häufig erwähnten Rivalität zu China zu veranschaulichen. Auch wird nicht klar, warum Hilger in seinem Forschungsüberblick in der Einleitung die bedeutende russischsprachige Literatur kaum berücksichtigt.

Abschließend soll aber betont werden, dass das Buch trotz einiger inhaltlicher und konzeptioneller Mängel doch zu überzeugen vermag und eine interessante und gewinnbringende Lektüre darstellt.

Georg Wurzer, Tübingen

Zitierweise: Georg Wurzer über: Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991. Hrsg. von Andreas Hilger. München: R. Oldenbourg, 2009. = Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 99. ISBN: 978-3-486-59153-8, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Wurzer_Sowjetunion_und_die_Dritte_Welt.html (Datum des Seitenbesuchs)

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