Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 5 (2015), 2 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Gerhard Wettig

 

The End and the Beginning. The Revolutions of 1989 and the Resurgence of History. Ed. by Vladimir Tismaneanu / Bogdan C. Iacob. Budapest, New York: Central European University Press, 2012. VII, 594 S. ISBN: 978-615-5053-65-8.

Der Sammelband von Vladimir Tismaneanu und Bogdan C. Iacob macht den Umbruchden Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und den Übergang zur liberalen Demokratieim äußeren Imperium der Sowjetunion zum Thema und vereinigt dabei sehr unterschiedliche Beiträge. Sehr allgemein gehaltenen Betrachtungen stehen Darstellungen des konkreten revolutionären Geschehens in Osteuropa gegenüber. Besonders hervorzuheben ist die auf einer umfassenden Kenntnis der Unterlagen des Gorbačev Fund in Moskau beruhende glänzende Analyse der Auflösung des Sowjetblocks von Mark Kramer, die allein genügen würde, um den Band lesenswert und zu einer Publikation zu machen, die für die weitere Forschung wichtig ist.

Eingangs stellt Kramer fest, dass sich der Erfolg der Revolution in den osteuropäischen Ländern nicht mit der Stärke der gegen die Parteiherrschaft gerichteten Kräfte erklären lässt. Unzufriedenheit hatte es stets und überall gegeben, seit die UdSSR die Kommunisten an die Macht gebracht hatte, und der Widerstand dagegen war verschiedentlichetwa 1953 in der DDR oder 1956 in Polen und Ungarnnicht schwächer als 1989 und scheiterte seinerzeit doch. Was sich geändert hatte, war das Vorgehen der sowjetischen Führungsmacht. Diese wäre so wie früher in der Lage gewesen, den Aufruhr militärisch niederzuschlagen. Das abschließende Ergebnis entschied der Umstand, dass sie nicht das tat, sondern sogar die Veränderungen ermutigte und unterstützte, was auch den Machthabern vor Ort die Hoffnung nahm.

Gorbačev hatte freilich keineswegs von Anfang an diese Haltung. Erst als er nach und nach erkannte, dass die UdSSR in eine Sackgasse geraten war und nicht mehr so weitermachen konnte wie bisher, wenn er ihre Positionen behaupten wollte, änderte er sein Verhalten und entschloss sich zu einer zunehmend radikalen Reformpolitik. 1989 musste er, um im Innern Erfolg zu haben, unbedingt vermeiden, dass es in Osteuropa so wie 1956 zu einem offenen Aufstand kam, denn dieser hätte ihn vor die Wahl gestellt, entweder militärisch einzugreifen oder den gewaltsamen Sturz des kommunistischen Regimes hinzunehmen, was beides auf das Ende der Reformpolitik hinausgelaufen wäre und seine innerparteilichen Widersacher in die Vorhand gebracht hätte. Das ließ sich nur dadurch verhindern, dass er in Osteuropa auf eine friedliche Ablösung der Unmut erregenden alten Regime hinwirkte, auch wenn die Kräfte der Veränderung entgegen seinen Wünschen mehr wollten als bloße Reform. Das Ergebnis dieser Prioritätensetzung war, dass ein ruhiger Verlauf des Geschehens erreicht wurde, obwohl sich das kommunistische Regime nicht aufrechterhalten ließ, auf dem das äußere Imperium der UdSSR beruhte.

Vladislav Zubok präsentiert in seinem Beitrag die gleichen Tatbestände, stellt sie aber in einen anderen Zusammenhang. Gorbačev sei bei seiner Politik von falschen Annahmen ausgegangen und habe dadurch den Verlust Osteuropas herbeigeführt. Ross A. Johnson, seinerzeit Direktor von RFE/RL in München, legt dar, welche Möglichkeiten sich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre für die Berichterstattung über die Länder der Region ergaben und wie sie genutzt wurden. Die Ausführungen von Vladimir Tis­maneanu und Bogdan C. Iakob über Rumänien und von Nick Miller über die serbischen und jugoslawischen Dissidenten lassen erkennen, dass die dortigen Entwicklungen eine grundsätzlich andere Richtung hatten als in den drei nördlichen Volksdemokratien und mit innerer Logik zu einem Umsturz führten, der kein echter Regimewechsel war und die alten Verhältnisse weithin perpetuierte. Dieses Urteil wird durch weitere Angaben in den Aufsätzen von Cătălin Avramescu, Ioan T. und David Morar, Noemi Marin sowie von Tom Gallagher bestätigt. Peter Voitsekhovsy befasst sich mit der ukrainischenOrangenen Revolution“ als Geschehenin den Fußstapfen von 1989“.

Insgesamt ist die Lektüre des Bandes wegen vieler Beiträge sehr zu empfehlen.

Gerhard Wettig, Kommen

Zitierweise: Gerhard Wettig über: The End and the Beginning. The Revolutions of 1989 and the Resurgence of History. Ed. by Vladimir Tismaneanu / Bogdan C. Iacob. Budapest, New York: Central European University Press, 2012. VII, 594 S. ISBN: 978-615-5053-65-8, http://www.oei-dokumente.de/JGO/erev/Wettig_Tismaneanu_The_End_and_the_Beginning.html (Datum des Seitenbesuchs)

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