Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 3 (2013), 3 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Gerhard Wettig

 

E. I. Pivovar: The Post-Soviet Space. Integration Alternatives. A Historical Outline.  Transl. by Tatyana Kovalevskaya and Fairuza Vagizova. S.-Peterburg: Aletejja, 2012. 368 S. ISBN: 978-5-91419-606-3.

Pivovar, der Rektor der Russian State University of Humanities in Moskau, stellt dar, wie die ihres bisherigen Zusammenhalts entkleideten Teilrepubliken auf die Auflösung der UdSSR reagierten, auf die sie nur dort, wo es zuvor Unabhängigkeitsbewegungen gegeben hatte, namentlich im Baltikum, vorbereitet waren. Die Sowjetunion war, ungeachtet ihrer formal föderalen Struktur, ein zentralistischer Staat und daher ein einheitlicher wirtschaftlich-sozialer Komplex gewesen, der ohne Rücksicht auf Republikgrenzen organisiert worden war. Eine klare Trennung in Teilstaaten war daher weithin nicht möglich. Diesem Umstand wurde durch die Gründung der „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS) entsprochen, die die Trennung durch Beibehaltung von Resten der früheren Einheit erleichterte und an der sich alle außer den drei baltischen Länder beteiligten. Die bisherigen Gemeinsamkeiten sollten grundsätzlich fortbestehen, so dass weder die bislang ungetrennten Besitzstände genau auseinander dividiert  werden müssten noch die eng miteinander verflochtenen wirtschaftlichen Verhältnisse einer wechselseitig überaus schädlichen Zerstörung anheimfallen oder die freie Bewegung der Menschen auf dem bisherigen Reichsterritorium ein Ende finden würde. Zudem ging es darum, die Sicherheit gegenüber der Außenwelt durch gemeinschaftliche Bemühungen zu gewährleisten. Der Konstituierung der GUS folgte die Gründung weiterer Organe, die im Rahmen des generellen Zwecks spezielle Aufgaben wahrnehmen sollten.

Die Ziele wurden nur teilweise erreicht. Ein wesentlicher Grund war der Konflikt zwischen den damit verbundenen Leitvorstellungen. In Moskau sah man die GUS als Instrument zur Wiederherstellung des früheren Reiches in etwas modifizierter Form. Die Eliten in den Teilrepubliken fanden jedoch Gefallen an der gewonnenen Unabhängigkeit und waren daher nicht geneigt, diese wieder aufzugeben. Die GUS erwies sich zwar darin als überaus wichtig und nützlich, dass sie den Übergang von der UdSSR zu den postsowjetischen Verhältnissen abfederte und damit wesentlich erleichterte, führte aber nicht zu dem von russischer Seite angestrebten Wiederzusammenschluss des Imperiums. Die objektiven Voraussetzungen dafür waren von vornherein denkbar ungünstig: Russland war allen anderen Staaten zusammen überlegen, so dass an partnerschaftliche Beziehungen, die den Zusammenschluss für die anderen Beteiligten hätten attraktiv machen können, von vornherein nicht zu denken war. Vor diesem Hintergrund blieb die angestrebte Integration bloßes Stückwerk. Es kam immer nur zu sehr begrenzten Vereinbarungen in speziellen Bereichen, und auch daran nahmen in aller Regel nur einige der möglichen Partner teil. Nicht das multilaterale Netzwerk der GUS, sondern Verträge zwischen zwei Staaten oder auch einigen mehr wurden bestimmend. Sogar das Ziel, es nicht zu fundamentalen Konflikten innerhalb der GUS kommen zu lassen, wurde verfehlt. Wie sich etwa im Falle Moldovas oder Georgiens zeigte, war es nicht ausgeschlossen, dass man gegeneinander auch zu den Waffen griff.

Die Monographie von Pivovar ist ein zuverlässiger Führer durch die verwirrend zahlreichen und vielfältigen Vereinbarungen, die vor dem Hintergrund der GUS-Gründung im Dezember 1991 abgeschlossen worden sind. Wer sich mit dem überaus wichtigen Thema befasst, was aus der früheren Sowjetunion geworden ist und welche Positionen Russland heute im Osten Europas und in Nord- und Zentralasien besitzt, wird in diesem Werk die nötigen Informationen darüber finden. Alle diesbezüglichen Verträge und Arrangements werden genau und in allen Einzelheiten dargestellt. Insgesamt hat Pivovar eine Publikation vorgelegt, die für jeden ein Muss ist, der im nachsowjetischen Raum zu tun hat, vor allem sich dort geschäftlich oder sonstwie engagieren möchte. Es würde die Benutzung als Handbuch zusätzlich erleichtern, wenn der nächsten, der dritten Auflage ein Sachregister mit den Verträgen und den dafür verwendeten Abkürzungen hinzugefügt würde.

Gerhard Wettig, Kommen

Zitierweise: Gerhard Wettig über: E. I. Pivovar: The Post-Soviet Space. Integration Alternatives. A Historical Outline. Transl. by Tatyana Kovalevskaya and Fairuza Vagizova. S.-Peterburg: Aletejja, 2012. 368 S. ISBN: 978-5-91419-606-3, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Wettig_Pivovar_Post-Soviet_Space.html (Datum des Seitenbesuchs)

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