Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 4 (2014), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Gerhard Wettig

 

Pobediteli i pobeždennye. Ot vojny k miru. SSSR, Francija, Velikobritanija, Germanija, SŠA (1941–1950). Pod obščej redakciej i s predisloviem B. Fizeler [B. Fieseler] i N. Muan. Perevod s anglijskogo, nemeckogo i francuzskogo jazykov E. Kustovoj i dr. Moskva: Rosspėn, 2010. 302 S., 7 Abb. = ISBN: 978-5-8243-1499-1.

Inhaltsverzeichnis:

http://scans.hebis.de/23/16/95/23169584_toc.pdf

 

Der Sammelband beruht auf einer Konferenz, die das Deutsche Historische Institut Moskau, das Centre franco-russe de recherches en sciences humaines et sociales de Moscou, CERCES und die Hein­rich-Heine-Universität Düsseldorf im Oktober 2006 in der russischen Hauptstadt veranstaltet haben. Die Beiträge der Autoren aus Russland, Frankreich, Großbritannien, den USA, Deutschland und Estland befassen sich mit den Auswirkungen des militärischen und politischen Geschehens auf das Leben in ihren Ländern. In der Einleitung heben Jean Radvani und Bernd Bonwetsch die Besonderheiten der Situation von 1945 hervor: Kaum war der Zweite Weltkrieg zu Ende, als schon der Kalte Krieg zwischen den Siegern in Ost und West einsetzte, und auf den Gebieten der UdSSR (im Baltikum, im westlichen Weißrussland und in der Ukraine) und Polens gab es noch jahrelang erbitterte bewaffnete Kämpfe des nationalen Untergrunds mit der Sowjetmacht.

Wie den folgenden Beiträgen zu entnehmen ist, entsprach die Lage auch sonst wenig den hergebrachten Erwartungen an ein Kriegsende. Das besiegte Deutschland war aufgrund des bis zur totalen Niederlage geführten Krieges völlig ruiniert und konnte seine Bevölkerung nicht mehr ausreichend ernähren. Aber auch die Sieger in Westeuropa waren materiell bedrängt, und in der UdSSR war – bei sich verschärfender Repression – die Versorgungsnot noch größer als irgendwo außerhalb ihres Machtbereichs. Die gewaltigen Menschenverluste, Zerstörungen und Bevölkerungsbewegungen hatten generell den europäischen Kontinent in Chaos und Elend gestürzt. Der Weg aus den Wirren des Krieges nahm insgesamt viel Zeit in Anspruch, vor allem in Mittel- und Osteuropa. Der Wiederaufbau der staatlichen Ordnung und die Demobilisierung, vor allem aber die massenhafte Rückführung der Zwangsarbeiter, Lagerhäftlinge und Kriegsgefangenen, die Eingliederung der vielen Millionen Flüchtlinge, Vertriebenen und Umgesiedelten namentlich in Deutschland und Polen – das alles ließ sich nicht in kurzer Zeit machen. Die deutschen Gefangenen und Verschleppten in der UdSSR mussten oft noch bis weit in die fünfziger Jahre auf das normale Leben in der Heimat warten.

Elena Zubkova schildert, wie die Menschen in der Sowjetunion nach dem Sieg ihres Landes mit den Nöten des Alltags fertig zu werden suchten, die in den Jahren des extremen Hungers kulminierten, und welche Überlebensstrategien sie dabei entwickelten. Olivier Wieviorka untersucht die Lage in Frankreich 1944/45 unter den Gesichtspunkten der Kriegsgefangenen und Deportierten, der Tätigkeit der zur Aburteilung der Kollaborateure eingesetzten Organe und der grundlegenden Entscheidungen über die sozio-ökonomische Ordnung des Landes. Daniel Gossel zeigt, wie mühsam und langwierig es für Großbritannien war, die Entbehrungen der Kriegszeit hinter sich zu lassen. Nach dem Wahlsieg im Sommer 1945 hatte Labour eine Zeit allgemeinen Wohlstands angekündigt, doch blieb die Rationierung der Lebensmittel noch bis Mitte der fünfziger Jahre bestehen. In den USA war, wie Michael Wahla darlegt, die Demobilisierung der Streitkräfte das zentrale Problem. In großer Zahl mussten Arbeitsplätze geschaffen werden, was mit Blick auf die Frauen und Afroamerikaner besondere Schwierigkeiten bereitete. Axel Schildt befasst sich mit den Problemen, vor denen das besiegte, besetzte und weithin zerstörte Deutschland stand, in das zudem Millionen Flüchtlinge und Vertriebene strömten.

Weitere Aufsätze beschreiben die Durchführung von Bevölkerungsbewegungen: Mari­na Potëmkina die Freuden und Leiden der Sowjetbürger, die aus den kriegsbedingt in den Ural verlegten Rüstungsfabriken wieder in ihre Heimat kamen, Ulrike Goeken-Haidl die Aufnahme der in die UdSSR zurückkehrenden Kriegsgefangenen und Catherine Gousseff die Umsiedlung der Polen aus den abgetretenen östlichen Landesteilen in die neuen Westgebiete. Vier Beiträge behandeln die gerichtliche Ahndung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern in der Sowjetunion (Tanja Penter), den dort von 1941 bis 1943 geschaffenen rechtliche Rahmen für politische Säuberungen und die dabei eingeführten neuen Methoden (Vanessa Voisin), die Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen durch die sowjetische Justiz (Aleksandr Charitonov) und die Liebesbeziehungen zwischen deutschen Soldaten und Französinnen einschließlich des Schicksals der betroffenen Frauen und ihrer Kinder nach dem Krieg (Fabrice Vergili).

Der Wiederaufbau der sozio-ökonomischen Ordnung nach dem Krieg ist das Thema einer Reihe weiterer Beiträge. Andrej Sokolov stellt dar, wie sich der Zweite Weltkrieg auf die sozialen Verhältnisse und die Arbeitsbedingungen in den Betrieben der UdSSR auswirkte. Olaf Mertelsmann behandelt die Wiederherstellung der baltischen Sowjetrepubliken am Beispiel Estlands. Natalie Mouan untersucht, wer nach Auffassung der sowjetischen Behörden unter der deutschen Besatzung gelitten hatte und auf dieser Basis soziale Unterstützung erhielt. Natalja Suržikova befasst sich mit den Schwierigkeiten bei der Untersuchung der Frage, welche Tätigkeiten Zwangsarbeiter aus dem Ausland in der UdSSR zu verrichten hatten. Fabien Théophilakis beschreibt den Arbeitseinsatz deutscher Kriegsgefangener in Frankreich. Juliane Fürst zeigt, welches Durcheinander bei der sowjetischen Eisenbahn herrschte und dass man gleichwohl damit irgendwie zurechtkam. Galina Jankovskaja schließlich stellt der Verherrlichung der Sowjetsoldaten in den Illustrierten der UdSSR die erbärmlichen Verhältnisse gegenüber, in denen die Veteranen tatsächlich lebten.

Der Sammelband enthält fundierte Analysen zahlreicher in der historischen Literatur bisher weithin nicht behandelter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme der Kriegs- und Nachkriegsjahre und bietet so wertvolle Beiträge zur Sozial- bzw. Herrschaftsgeschichte der genannten Länder.

Gerhard Wettig, Kommen

Zitierweise: Gerhard Wettig über: Pobediteli i pobeždennye. Ot vojny k miru. SSSR, Francija, Velikobritanija, Germanija, SŠA (1941–1950). Pod obščej redakciej i s predisloviem B. Fizeler [B. Fieseler] i N. Muan. Perevod s anglijskogo, nemeckogo i francuzskogo jazykov E. Kustovoj i dr. Moskva: Rosspėn, 2010. 302 S., 7 Abb. = ISBN: 978-5-8243-1499-1, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Wettig_Fizeler_Pobediteli_i_pobezdennye.html (Datum des Seitenbesuchs)

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