Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 2 (2012), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Ernst Wawra

 

Die Folgen der Revolution. 20 Jahre nach dem Kommunismus. Hrsg. von Hans-Joachim Veen, Peter März und Franz-Josef Schlichting. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2010. 183 S., Abb., Graph. = Europäische Diktaturen und ihre Überwindung. Schriften der Stiftung Ettersberg, 15. ISBN: 978-3-412-20597-3.

2009 jährte sich der Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs zum 20. Mal. Anlässlich dieses Jubiläums wurde in einer Vielzahl von (Fach-)Tagungen und Diskussionsrunden an die so geschichtsträchtigen Tage im Herbst 1989 erinnert. Auch Hans-Joachim Veen, der den hier zu besprechenden Sammelband hauptverantwortlich herausgegeben hat, nahm sich die Epochenwende für das 8. Internationale Symposium der Stiftung Ettersberg zum Anlass. Im Fokus standen hier jedoch nicht die Geschehnisse, die 1989 in der Öffnung des Eisernen Vorhanges und dem Zerfall der Sowjetunion 1991 kumulierten, sondern die Folgen der Revolution zwanzig Jahre nach dem Kommunismus.

Veen leitet den Sammelband mit der Vorstellung des allen Autoren gemeinsamen Fragenkomplexes ein, der sich auf eine Kernfrage reduzieren lässt: Welche „politischen, zivilgesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen“ (S. 10) sind seit 1989 in Ostmittel- und Osteuropa zu erkennen? Ziel ist es dabei, keine „Rückschau […] sondern eine Bilanz“ (S. 7) zu ziehen. Nach dieser Einführung zeichnet Hans-Peter Schwarz die Umgestaltung Europas nach dem Ende des Kalten Krieges nach und verweist auf die wichtige Bedeutung der „Charta von Paris“, die den Anfangspunkt und somit einen gemeinsamen Nenner für die weitere Entwicklung der ostmittel- und osteuropäischen Staaten bildete. Dabei stellt er des Weiteren die Befürchtungen, Erwartungen und Beobachtungen von „Politikern, Publizisten, Wissen­schaft­ler[n] und Planungsexperten“ (S. 14) dieser Jahre vor und bezeichnet – mit Ausnahme Russlands – die „erneute Verwestlichung dieser [hier behandelten; E.W.] Länder nicht mehr und nicht weniger als die Korrektur einer Getrenntentwicklung“ (S. 27). Die folgenden zehn Beiträge lassen sich, wenn auch nicht so gekennzeichnet, in zwei Teile gliedern: Der erste befasst sich neben dem wiedervereinigten Deutschland mit der jeweiligen politischen und zivilgesellschaftlichen Situation in den ostmitteleuropäischen Ländern – Polen, Tschechien, Ungarn sowie Rumänien – und Russland. Der zweite Teil hingegen verfolgt die Entwicklung „[v]on der Staatswirtschaft zur Marktwirtschaft“ (S. 119) für die ‚neuen‘ Bundesländer sowie für Polen, Rumänien und Ungarn.

Der erste Teil vereinigt Beiträge weiterer renommierter Autoren, beispielsweise von Eckhard Jesse oder Krzysztof Ruchniewicz, die nach dem Ist-Zustand zwanzig Jahre nach dem „Wendejahr“ (S. 45) in Polen, dem Schwanken zwischen „Enttäuschung und Hoffnung“ (S. 61) in Ungarn oder nach „Russlands versperrte[m] Weg aus dem Zurück“ (S. 101) fragen. Mit letzterem Beitrag von Gerhard Mangott wird der Leser auf eine Reise von Boris N. Jelzin bis hin zum „Duumvirat: Putin und Medvedev“ (S. 112) mitgenommen, wobei es dem Autor gelingt, nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung zu beleuchten, sondern auch die „soziale Verelendung“ (S. 104) der Bevölkerung in den Jahren seit 1991 zu skizzieren. Der zweite Abschnitt, der sich aus Beiträgen ebenfalls namhafter Autoren zusammensetzt, beschreibt die „ökonomischen Transformationen“ (S. 119), wobei nicht übersehen werden darf, dass „die Rolle der Europäisierung von Land zu Land sehr verschieden“ (S. 165) war. Und so zeigt dieser Sammelband deutlich, dass es zu kurz gedacht ist, aufgrund der Tatsache, dass sämtliche behandelten Länder, mit Ausnahme Russlands, mittlerweile Mitglieder der Europäischen Union sind, eine homogene und automatisch ablaufende Entwicklung in die vergangenen zwanzig Jahre hineinzukonstruieren.

Wenn auch die Auswahl der Länder „vergleichend und exemplarisch“ (S. 10) vorgenommen wurde, hätte man sich vor allem im Falle Russlands ebenfalls einen zweiten Beitrag, der sich in einem gleichwertigen Umfang mit den ökonomischen Auswirkungen beschäftigt, gewünscht. Ebenso wäre bei der Untersuchung über Tschechien, statt des Rekurses auf die tschechoslowakische Geschichte seit 1945, eine entsprechende Miteinbeziehung des slowakischen Landesteils bzw. seit 1993 der Slowakei, eine gute Ergänzung gewesen. Für die deutlichere Herausstellung der direkten und indirekten Bezüge innerhalb der einzelnen Beiträge wären Querverweise ebenso vorstellbar wie ein abschließendes ‚Gesamtliteraturverzeichnis‘. Die Uneinheitlichkeit hinsichtlich der Formatierung der einzelnen Beiträge sowie der verwendeten Schreibweisen russischer Namen – z.B. „Gorbatschow“ (S. 75) oder „Gorbačov [sic!]“ (S. 102) bzw. „Jelzin“ aber „Čečnja“ (beide S. 106) – stören unnötigerweise, mindern die Qualität der Aufsätze jedoch nicht.

Des Weiteren findet sich vor allem im zweiten Abschnitt eine Vielzahl von Diagrammen und Tabellen, die die Entwicklungen, beispielsweise der Inflation oder der Gesamtverschuldung, in den einzelnen Ländern veranschaulichen, und am Ende des Bandes gibt es neben Angaben zu den Autoren auch ein Personenregister.

Somit bleibt, von den ergänzenden Wünschen des Rezensenten abgesehen, festzuhalten, dass es Veen durch die Mitarbeit von Autoren aus sechs Ländern gelungen ist, trotz der notwendigen Begrenzung auf bestimmte Staaten ein vergleichendes, breites Spektrum der so unterschiedlichen Entwicklungen abzubilden. Da zwischen dem Symposium selbst und dem Erscheinen des Sammelbandes nicht einmal ein Jahr vergangen ist, bieten die auf die aktuellen Entwicklungen ausgerichteten Beiträge den Vorteil, dass sie nicht in allen Bereichen von der Gegenwart eingeholt oder überholt worden sind. In der Gesamtschau bilden die gut lesbaren Aufsätze eine anregende Lektüre und lösen ein, was Veen in der Einleitung angekündigt hat, bekommt der Leser doch einen guten Eindruck von dem, was „sich in den letzten 20 Jahren entwickelt“ (S. 8) hat.

Ernst Wawra, Erlangen

Zitierweise: Ernst Wawra über: Die Folgen der Revolution. 20 Jahre nach dem Kommunismus. Hrsg. von Hans-Joachim Veen, Peter März und Franz-Josef Schlichting. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2010. 183 S., Abb., Graph. = Europäische Diktaturen und ihre Überwindung. Schriften der Stiftung Ettersberg, 15. ISBN: 978-3-412-20597-3, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Wawra_Veen_Folgen_der_Revolution.html (Datum des Seitenbesuchs)

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