Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1 (2011), 4 Rezensionen online / Im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Sabine Thomsen

 

Detlef Jena: Königin Olga von Württemberg. Glück und Leid einer russischen Großfürstin. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2009. 376 S., Abb. ISBN: 978-3-7917-2228-3.

Nach seinen erfolgreichen Biographien über die Zarentöchter, die beiden Schwestern Maria Pawlowna, Großherzogin von Sachsen-Weimar, und Katharina Pawlowna, Königin von Württemberg, wendet sich der Historiker Detlef Jena in seinem neuen Werk nun der nächsten Generation russischer Großfürstinnen zu, die an deutsche Höfe verheiratet wurden. Mit der Biographie von Olga Nikolajewna, der späteren Königin von Württemberg, erweist sich der Autor einmal mehr als exzellenter Kenner der Geschichte Russlands, insbesondere des Zarenhauses Romanow. Sehr detailliert schildert Jena die Kindheit und Jugend Olgas am Zarenhof, wobei er sich teilweise auf die kürzlich neu entdeckten persönlichen Briefe Olgas stützt, aber auch ihre eigenen Lebenserinnerungen heranzieht, welche sie im Alter für ihre Enkel aufgeschrieben hat und die er durchaus kritisch hinterfragt.

Die im Jahre 1822 in St. Petersburg geborene Olga war die Tochter von Zar Nikolaus I. und seiner preußischen Gemahlin Alexandra Feodorowna. Der heute als Inbegriff eines autokratischen Herrschers geltende Zar blieb für seine Lieblingstochter Olga lebenslang eine Leitfigur. 1846 wurde sie mit dem württembergischen Kronprinzen Karl verheiratet, einem  kultivierten und schöngeistigen Mann, der wenig politische Ambitionen zeigte und homophile Neigungen pflegte. Von seinem Vater wurde der Thronfolger systematisch von Regierungsgeschäften ferngehalten, weshalb am württembergischen Hof ein Vater-Sohn-Konflikt schwelte, in dem auch Olga bei allem guten Willen nichts ausrichten konnte. Hier trafen zwei Charaktere aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein konnten. König Wilhelm I. hat das Land nahezu 50 Jahre lang regiert, wobei er das von seinem Vater Friedrich I. begonnene Werk der Eingliederung seiner neuen Landesteile in das württembergische Stammland erfolgreich vollendete und dem Königreich eine neue Verfassung gab. Er war sicherlich kein Familienmensch und stellte nicht die Vaterfigur dar, die Olga sich gewünscht hätte. Doch man wird der Persönlichkeit Wilhelms nicht gerecht, wenn man ihn nur auf sein angespanntes Verhältnis zum Sohn reduziert und ihn als stets „grantelnden“ alten Herrn darstellt – hier wäre eine differenziertere Darstellung wünschenswert gewesen.

Doch äußerst kenntnisreich und sehr anschaulich geschrieben führt uns Detlef Jena einerseits durch die russische Geschichte des 19. Jahrhunderts, zum andern in die politisch brisante Zeit, in welcher die Groß- oder Kleindeutsche Frage diskutiert wurde, der Anschluss Württembergs an den Deutschen Bund vollzogen wurde und das württembergische Königspaar durch die Vormachtstellung Preußens befürchten musste, die Souveränität seines Landes zu verlieren. Dabei bedauert Jena immer wieder lebhaft das mangelnde Interesse Olgas am politischen Geschehen. Als Kronprinzessin und spätere Königin von Württemberg hat sie ihre Kontakte nach Russland nur wenig für die württembergische Politik eingesetzt, mancher zaghafte Versuch scheiterte auch am Desinteresse ihres Gemahls und am Misstrauen des Schwiegervaters.

Einfühlsam beschreibt Jena die wechselnden Seelenzustände Olgas. Sie litt zum einen unter ihrer Kinderlosigkeit und der daraus resultierenden Problematik der Thronfolge, hatte jedoch zu ihrem Gemahl eine sehr innige Beziehung, auch wenn diese immer wieder durch seine Männerfreundschaften belastet wurde. Das Paar regierte nach dem Tod König Wilhelms I. über 25 Jahre lang in Württemberg, wobei König Karl kein unumstrittener Herrscher war. Olga hingegen erfüllte die Pflichten einer Königin vorbildlich, sie repräsentierte mit großer Würde und engagierte sich auf sozialem Gebiet. Sie starb ein Jahr nach ihrem Gemahl 1892. In Württemberg ist Königin Olga noch immer populär, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Einrichtungen, die ihren Namen tragen.

Angesichts der Fülle von bearbeiteten Quellen und Materialien seien kleine Ungenauigkeiten in der Genealogie des Hauses Württemberg hier nur am Rande erwähnt (S. 67: Königin Pauline hatte zwei Töchter und zwei Stieftöchter; S. 171: Auguste war mit dem Herzog von Sachsen-Weimar verheiratet, nicht Katharina). Dank ihrem auf die Politik und die russisch-württembergischen Beziehungen ausgerichteten Schwerpunkt hebt sich die vorliegende Biographie deutlich ab von einer reinen ‚Hofberichterstattung‘. Die Beschreibung des Hoflebens, sei es in Russland oder in der württembergischen Residenz, mit den fortwährenden Empfängen und Geselligkeiten, hat der Autor manches Mal mit feiner Ironie gewürzt, die den Leser schmunzeln lässt.

Sabine Thomsen, Stuttgart

Zitierweise: Sabine Thomsen über: Detlef Jena Königin Olga von Württemberg. Glück und Leid einer russischen Großfürstin. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2009. ISBN: 978-3-7917-2228-3, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Thomsen_Jena_Koenigin_Olga_von_Wuerttemberg.html (Datum des Seitenbesuchs)

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