Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 6 (2016), 2 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Anti Selart

 

Alan V. Murray: The North-Eastern Frontiers of Medieval Europe. The Expansion of Latin Christendom in the Baltic Lands. Ed. by Alan V. Murray. Farnham, Surrey, Burlington, VT: Ashgate, 2014, XLIX, 389 S., Abb. = The Expansion of Latin Europe, 1000–1500, 4. ISBN: 978-1-4094-3680-5.

Inhaltsverzeichnis:

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Die Reihe The Expansion of Latin Europe, 1000–1500 stellt sich die Aufgabe, den Lesern eine Sammlung der „cutting-edge“-Forschungsarbeiten über die Voraussetzungen und frühen Stufen der europäischen Expansion zu bieten. Der hier rezensierte Sammelband über die nordöstlichen Grenzgebiete des mittelalterlichen Europa – Finnland, Livland, Litauen und Preußen – enthält 19 relevante Aufsätze von 18 Autoren aus mehreren Ländern. Die Erstdrucke stammen aus den Jahren 1966–2009, aber den Schwerpunkt der Auswahl bilden eindeutig die Werke aus der Zeit nach der politischen Wende in Osteuropa um 1990. Zwei Beiträge sind für die jetzige Neupublikation aus dem Deutschen übersetzt worden, alle anderen sind schon ursprünglich in englischer Sprache erschienen.

Die Einführung (dass sie aus der Feder des Bandherausgebers Alan V. Murray stammt, ist übrigens nur im Impressum angeführt) gibt den notwendigen kurzen Überblick über die Geographie und die wichtigsten historischen Entwicklungen der Region und schafft die logische Verbindung zwischen der einzelnen Beiträgen. Erläutert wird der Kontext einiger der wichtigsten Gegensatzpaare der traditionellen, oft kämpferisch nationalistischen Historiographie des Gebietes wie „westlich“ –„barbarisch“, „Freiheit“ – „Zivilisierung“, „Deutschtum“ – „Polentum“.

Wichtig ist die umfangreiche, thematisch geordnete Bibliographie mit dem Schwerpunkt auf den neueren und englischsprachigen Veröffentlichungen, die aber auch einige aktuelle deutschsprachige Titel sowie einzelne Publikationen auf Italienisch, Französisch, Schwedisch und Dänisch mit einschließt. Auch hier liegt das Prinzip zugrunde, dass die Auswahl vor allem an die anglophone Leserschaft gerichtet ist. In den nichtenglischen Personennamen und Buchtiteln kommen leider einzelne Tippfehler vor.

Die Beiträge sind in fünf Gruppen geordnet. Zuerst werden die historiographischen Aspekte behandelt (Sven Ekdahl, Derek Fewster). Der umfangreichste Teil ist den Kreuzzügen, der Eroberung und der Christianisierung gewidmet (Philip Line, Peep Peter Rebane, Ēvalds Mugurēvičs, Maria Starnawska, László Pósán, Michał Giedroyć). Es folgen Aufsätze über die Entstehung der neuen administrativen Strukturen (Muntis Auns, William Urban, Niels Skyum-Nielsen, Karol Górski) und zu Bevölkerung und Gesellschaft (Marko Lamberg, Enn Tarvel, Ēvalds Mugurēvičs, Tiina Kala, Reinhard Wens­kus). Zuletzt ist durch zwei Beiträge auch die Wirtschaftsgeschichte vertreten (Mark R. Mun­zinger, Andris Šnē). Überwiegend konzentrieren sich die hier abgedruckten Aufsätze auf die Zeit der Eroberung und die Periode unmittelbar danach; die letzten Jahrhunderte des nordosteuropäischen Mittelalters sind zurückhaltender vertreten.

Ein solcher Sammelband hat mehrere Aufgaben zu erfüllen. Der Leser soll sich nicht nur im Forschungsstand orientieren, sondern auch einen Überblick über die Forschungsgeschichte erhalten. Noch komplizierter wurde die Aufgabe des Herausgebers dadurch, dass Englisch – anders als Deutsch – traditionell nicht zu den Sprachen der Geschichtsforschung dieser Region gehört. Ein Kompromiss ist aber immer leicht zu kritisieren. Es möge also hier genügen zu sagen, dass die persönliche Auswahl der wichtigsten, relevantesten und aussagekräftigsten Beiträge durch den Rezensenten teilweise anders ausgesehen hätte; insgesamt aber ist die Publikation durchaus gelungen. Als Vorbehalt sei hier jedoch angemerkt, dass die auf archäologischen Quellen basierenden Arbeiten schnell veralten: Neue Ausgrabungen und neue Interpretationen können rasch erhebliche Korrekturen des Forschungsstandes mit sich bringen. Als Fixierung eines bestimmten wissenschaftlichen Darstellungsmusters zu einem bestimmten Zeitpunkt kann aber die Wiederveröffentlichung auch solcher Beiträge ihre Rechtfertigung finden. In vieler Hinsicht kann der Band für die Leser, die des Deutschen und der regionalen Sprachen des Ostseeraumes nicht mächtig sind, die Funktion eines Handbuchs oder der Studienlektüre erfüllen. Bestimmt wird er als praktische Kollektion der zentralen Forschungsarbeiten aber auch für alle Historiker Nordosteuropas von Nutzen sein.

Anti Selart, Tartu

Zitierweise: Anti Selart über: Alan V. Murray: The North-Eastern Frontiers of Medieval Europe. The Expansion of Latin Christendom in the Baltic Lands. Ed. by Alan V. Murray. Farnham, Surrey, Burlington, VT: Ashgate, 2014, XLIX, 389 S., Abb. = The Expansion of Latin Europe, 1000–1500, 4. ISBN: 978-1-4094-3680-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Selart_Murray_The_North-Eastern_Frontiers_of_Medieval_Europe.html (Datum des Seitenbesuchs)

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