Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 7 (2017), 2 Rezensionen online / Im Auftrag des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Maike Sach

 

Waldemar Könighaus: Regesta Pontificum Romanorum. Polonia Pontificia. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. 227 S. ISBN: 978-3-525-30052-7.

Die Bedeutung des Papsttums für die Geschichte Europas ist unstrittig. Es gibt in der europäischen Geschichte keine weitere Institution von vergleichbarer Dauerhaftigkeit, die dazu über ihre eigene Organisation in allen Regionen mehr oder minder direkt vertreten war und ist und daher mit vielen Reichen und deren Nachfolgestaaten in verschiedensten Beziehungen gestanden hat oder diese nach wie vor unterhält. Infolgedessen sind auch die Bestände des Vatikanischen Archivs von unschätzbarem Wert, nicht nur für die Kirchengeschichte, sondern auch für viele Aspekte der politischen Geschichte Europas vom frühen Mittelalter an. Und nicht zuletzt hat die Korrespondenz, die von der Kurie als Autorität mit universalem Anspruch geführt, auf die formale Entwicklung des diplomatischen Schriftgutes in den europäischen Regionen nachhaltig ausgestrahlt. Es ist daher kein Wunder, dass die Papsturkundenforschung auf eine lange Tradition innerhalb der Geschichtswissenschaft zurückblicken kann. Die besondere Aufmerksamkeit der Forschung des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts zogen dabei zunächst Empfänger auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches, Frankreichs und Italiens auf sich. 2007 wurde die Papsturkundenforschung als Projekt in die Göttinger Akademie der Wissenschaften aufgenommen mit der Maßgabe, die Überlieferung der Beziehungen des Papsttums zu den übrigen Regionen Europas im Westen, Norden und Osten vom frühen bis zum hohen Mittelalter aufzuarbeiten. Mit Bezug zur Geschichte des östlichen Europas ist 2011 bereits ein Band zu den Kontakten des Papsttums zu den Bistümern des mittelalterlichen Böhmen erschienen (Bohemia-Moravia Pontificia vel etiam Germania Pontificia).

Der Bearbeiter der Polonia Pontificia, Waldemar Könighaus, der auch die Bohemia-Moravia Pontificia im Rahmen der Regesta zusammengestellt hat, konnte bei seiner Arbeit auf wertvolle Vorarbeiten einer Reihe polnischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zurückgreifen, was sich auch in der bibliographischen Aufarbeitung des Forschungsstandes allerorten zeigt.

Die Polonia Pontificia und die in ihnen versammelten lateinischen Regesten sind nach den unterschiedlichen Gruppen von Korrespondenzpartnern unterteilt, die die weltliche und kirchenorganisatorische Ordnung des frühen und hohen Mittelalters widerspiegeln. Den Auftakt bilden Vertreter der weltlichen Gewalten, beginnend mit den polnischen Herrschern in der Rubrik Duces ac reges Poloniae, gefolgt von einer kleinen Gruppe von adligen Laien. Die meisten Regesten sind Vorgängen gewidmet, die im Erzbistum Gnesen und den dazugehörenden Suffraganen angesiedelt sind, die jeweils in eigenen Abschnitten aufgeführt werden; gleiches gilt für die Klöster und Stifte, die sich in den jeweiligen Bistümern befinden und in eigenen Unterkapiteln behandelt werden. Den Abschluss bilden die Regesten, in denen sich die Beziehungen zu dem seit 1181 exemten pommerschen Bistum Kammin ablesen lassen.

Jedem Kapitel und Unterkapitel ist eine kurze historische Einführung mit Blick auf die Beziehungen zur Kurie vorangestellt, in der auf die wichtigste allgemeine Literatur verwiesen wird. Die anschließend aufgeführten Regesteinträge sind dem etablierten Standard gemäß aufgebaut: Neben einer kurzen Inhaltsangabe werden Informationen zur Überlieferung und zur Erwähnung in anderen Quellen sowie zu bisherigen Publikationsorten bzw. zur bisherigen Aufnahme in andere Regestenwerke gegeben. Bei Bedarf folgen weitere Erläuterungen, die jeweils den aktuellen Forschungsstand wiedergeben, oder Querverweise innerhalb der Regesten selbst. Angesichts von dynastischen Verbindungen der Piasten zu den Kiever Fürsten ist gerade bei Eheschließungen, die zum Gegenstand der Korrespondenz mit der Kurie wurden, mit einem Echo in der altrussischen Überlieferung zu rechnen (oder zumindest mit Spuren davon, falls Erwähnungen von Kontakten in späteren Redaktionen getilgt worden sein sollten). Diese werden interessierte Benutzer selbst über die aufgeführte Literatur erschließen müssen. Ein entsprechender Verweis auf die gängigen Editionen altrussischer Chroniken erfolgt nicht, was aber symptomatisch für die Mediävistik (west‑)europäischer Prägung ist, die sich – sicher auch aus sprachlichen Gründen – vornehmlich auf lateinische Zeugnisse stützt und meist selbst dort, wo es sich aufdrängt, die altrussische Überlieferung ignoriert (s. hier Polonia Pontificia, Duces ac reges Poloniae, Nr. 25, die Fundstellen in den russischen Chroniken kann man nur über die zitierten polnischen genealogischen Werke erschließen).

Großen Einfluss auf die polnische Historiographie der frühen Neuzeit übte das umfangreiche chronikalische Werk des Geistlichen Jan Długosz aus, der u. a. am Hofe des polnischen Königs Kazimierz Jagiellończyk verschiedene einflussreiche Positionen bekleidete. In seinen Annales seu cronicae inclitii Regni Poloniae behandelte er in zwölf Bänden die Geschichte Polens von den Anfängen bis kurz vor seinem Tod im Jahre 1480. Długosz war allerdings durchaus nicht immer zuverlässig im historischen Detail und erfand u. a. einiges an historischen Kontakten zwischen der Kurie und Polen. In den Polonia Pontificia“ sind nun auch diese Stellen, in denen die – bisweilen fiktiven – Beziehungen zur Kurie von Długosz behandelt werden, in Regestenform aufgearbeitet. Auch dieser Abschnitt, der den Regesten als Anhang angefügt worden ist, wird von einer knappen, die Forschungsliteratur aufführenden quellenkritischen Skizze zum Werk Długoszs eingeleitet.

Die Polonia Pontificia bieten eine solide Aufarbeitung der Kontakte zwischen den Päpsten und den weltlichen und geistlichen Gewalten Polens von den Zeiten der Christianisierung bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts, die teilweise auch Gegenstände von europäischer Bedeutung berühren (beispielsweise die im Rahmen der Politik Ottos III. vorgenommene Gründung des Erzbistums Gnesen). In der sorgfältigen Bearbeitung des Materials spiegelt sich auch eine komplizierte Quellenlage und Überlieferungssituation wider, die auch für andere Gegenstände der mittelalterlichen Geschichte Polens gilt. Hier sei gleichsam als pars pro toto an das Testament des Bolesław Krzywousty von 1138 erinnert (Polonia Pontificia, Duces ac reges Polnoniae, Nr. 31 und 32, S. 26–27), mit der das Senioriat als Thronfolgeregelung etabliert werden sollte.

In der Tradition der Regesta Pontificium Romanorum ist der Band in lateinischer Sprache erschienen und wendet sich damit eher an einen Kreis von Spezialisten und fortgeschrittenen Studierenden, bei denen die nötigen lateinischen Lesefähigkeiten vermutet werden dürfen. Den polnischen Literaturtiteln ist eine deutsche Übersetzung beigeben worden, das Vorliegen englischer Übersetzungen von polnischen Monographie wird meist vermerkt (und nur selten vergessen, wie im Fall der auf S. 6 erwähnten Arbeit Andrzej Pleszczyńskis, die 2011 unter dem Titel The Birth of a Stereotype: Polish Rulers and their Country in German Writings c. 1000 in Leiden erschienen ist, was den grundsätzlichen Gebrauchswert der Regesten für die Forschung allerdings nicht mindert).

Maike Sach, Mainz und Kiel

Zitierweise: Maike Sach über: Waldemar Könighaus: Regesta Pontificum Romanorum. Polonia Pontificia. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. 227 S. ISBN: 978-3-525-30052-7, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Sach_Koenighaus_Regesta_Pontificum_Romanorum.html (Datum des Seitenbesuchs)

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