Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 4 (2014), 4 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Thekla Musäus

 

Werner Westphal: Sprachpolitik in den Farben der DDR. Finnland 1978–1984. Eine Fallstudie. Hamburg: Kovač, 2011. 199 S., 11 Abb. = Studien zur Zeitgeschichte, 80. ISBN: 978-23-8300-5913-4.

Von seinen persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen ausgehend, zeichnet der Autor des vorliegenden Werkes ein Bild der Kulturpolitik der DDR in Finnland in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Seine eigene Tätigkeit als Sprachlektor am „Kulturzentrum der DDR“ in Helsinki nimmt er dabei als Ausgangspunkt für wissenschaftsgeschichtliche, aber auch landeskundliche und kulturpolitische Schlaglichter auf die finnische und DDR-deutsche Vergangenheit. Die subjektiven Wertungen und Schilderungen persönlicher Erlebnisse machen dabei die Stärke des Werkes aus – die jüngste Geschichte wird lebendig. Plausibel kann der Autor an zahlreichen Einzelbeispielen die Vernetzung der DDR-Germanistik mit der Wissenschaftslandschaft Finnlands zu jener Zeit belegen. Gleichzeitig beleuchtet er die ideologischen und realpolitischen Hindernisse für die Wissenschaftler aus der DDR. Der Leser erfährt so, welche Folgen die innenpolitischen Spannungen in der DDR für die Vertreter der DDR im westlichen Ausland hatten. So erhielten beispielsweise Wissenschaftler und Schriftsteller, die als Referenten nach Finnland eingeladen werden sollten, kurzfristig keine Reisegenehmigung, wenn sie zwischenzeitlich in der DDR in Ungnade gefallen waren. Gleichzeitig versucht der Autor die wissenschaftspolitischen Gegebenheiten und Entwicklungen in der DDR mithilfe der Diskurstheorie und kommunikationswissenschaftlicher Modelle zu analysieren. Diese unterschiedlichen Annäherungsweisen an das Thema – memoirenhafte persönliche Episoden, allgemein landeskundliche und geschichtliche Informationen über Finnland und die finnisch-deutschen Kulturbeziehungen, Informationen über Kulturpolitik und -geschichte der DDR sowie theoretische Betrachtungen des Untersuchungsgegenstandes – finden sich bunt gemischt in den elf Kapiteln wieder. Einzelne wichtige Ereignisse wie deutsch-finnische Konferenzen, „DDR-Kulturtage“ in Finnland oder die Gründung des germanistischen Periodikums „Der Gingkobaum“ (herausgegeben in Gemeinschaftsarbeit der DDR-Sprachlektoren in Schweden und Finnland) dienen dabei als Ausgangspunkte für die Kapiteleinteilung, ohne sich jedoch an die Chronologie zu halten. So ist die Anordnung der einzelnen Kapitel nicht immer schlüssig und nicht ohne Wiederholungen. Der Autor hütet sich bewusst vor einseitigen Wertungen, einem ausgeprägt nostalgischen Tonfall oder Selbstrechtfertigung. Die sprachliche Vorsicht des Autors führt zum exzessiven Gebrauch von Anführungszeichen sogar bei der Verwendung von sinnfälligen Metaphern. Dies macht die Lektüre teilweise ausgesprochen mühsam. Es gelingt dem Autor allerdings, die DDR-Wissenschaftsgeschichte und die Kulturpolitik der DDR im In- und Ausland im betrachteten Zeitraum aus der Vergessenheit zu holen. Seine Ausführungen ergänzt er durch Verweise, einen ausführlichen bibliographischen Anhang sowie einen Anhang mit Fotografien und Abbildungen von Dokumenten. Durch das Zitieren von Originalquellen offizieller wissenschaftspolitischer Äußerungen im Sinne des Marxismus-Leninismus wird Sensibilität für die Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Ideologie geweckt, wie sie für Germanisten der DDR zu jener Zeit Realität war. Die Verbindung zum eigentlichen Thema des Werks, der Sprachpolitik der DDR in Finnland, erschließt sich allerdings bisweilen erst auf Umwegen. Der Untertitel „Fallstudie“ weckt höhere Erwartungen, als das Buch erfüllen kann – ein Vergleich mit der Situation der „public diplomacy“ der DDR in anderen westlichen Ländern bleibt aus, beziehungsweise wird für Schweden nur angedeutet. Auch der Kontrast zur Situation der Sprach- und Kulturvermittlung der DDR in den Staaten des Ostblocks fehlt. Als anregende Lektüre eines Zeitzeugen über die kulturellen Verknüpfungen und Schwierigkeiten ostdeutscher Sprach- und Kulturvermittlung in Finnland regt es zum Nachdenken und Weiterlesen an, ohne eine wissenschaftliche Studie im eigentlichen Sinn zu sein.

Thekla Musäus, Greifswald

Zitierweise: Thekla Musäus über: Werner Westphal: Sprachpolitik in den Farben der DDR. Finnland 1978–1984. Eine Fallstudie. Hamburg: Kovač, 2011. 199 S., 11 Abb. = Studien zur Zeitgeschichte, 80. ISBN: 978-23-8300-5913-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Musaeus_Westphal_Sprachpolitik_in_den_Farben_der_DDR.html (Datum des Seitenbesuchs)

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