Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.-e-reviews 3 (2013), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Dennis Hormuth

 

Bernhart Jähnig: Verfassung und Verwaltung des Deutschen Ordens und seiner Herrschaft in Livland. Berlin, Münster: Lit, 2011. 333 S., 8 Ktn., 3 Abb., 2 Tab. = Schriften der Baltischen Historischen Kommission, 16. ISBN: 978-3-643-11005-3.

Bernhard Jähnig füllt mit seinem Buch zur Verfassung und Verwaltung des Deutschen Ordens in Livland eine Forschungslücke. Im politischen und kirchlichen Gefüge des mittelalterlichen Livland hatte der Deutsche Orden, dessen (Streu-)Besitzungen sich über das gesamte Gebiet zwischen der Ostseeküste des nördlichen Estland und der südlichen Grenze Kurlands erstreckten, eine herausragende Stellung inne. Folglich kann sich kaum eine Abhandlung, die sich Livlands im Mittelalter annimmt, einer Hinwendung zum Orden entziehen. Umso bedauerlicher ist es, dass die Forschung bisher trotz einiger Einzelstudien und vieler verstreuter Informationen auf eine Synthese verzichten musste. Jähnig bleibt bei der Darstellung sinnvoll eng an seiner Fragestellung, die dem inneren Aufbau des Ordens, seinen Herrschaftsressourcen sowie seiner Verwaltungstätigkeit gewidmet ist.

Das erste Kapitel gibt die kurze Geschichte des so genannten Schwertbrüderordens wieder und stellt quasi den Status quo zur Zeit der Inkorporierung der Schwertbrüder in den Deutschen Orden vor. Im folgenden Kapitel „Herrschaftsaufbau“ wendet sich Jähnig vor allem rechtlichen Regelungen zwischen dem Orden und den anderen sich herausbildenden Landesgewalten, den Bischöfen und dem Rigaer Erzbischof, sowie Verträgen mit Vasallen, Bauernrechtsbüchern und militärischen Eroberungen zu und beschreibt so den Prozess der Herrschaftsentwicklung und -verdichtung des Ordens zwischen 1237 und dem Ende des Ordens 1561. Anschließend wird das Burgennetz des Ordens in Livland beschrieben. Im vierten Kapitel wird die Stellung des Ordens im politischen Gefüge Livlands genauer unter die Lupe genommen und hinsichtlich des Grades der Durchsetzung einer „Schutzherrschaft“ des Ordens über Bischöfe und Bistümer eingeordnet. Das Erzbistum Riga als mächtigster Konkurrent des Ordens in Livland steht hierbei naturgemäß im Mittelpunkt. Auch die „landesherrliche Kirchenschutzpolitik“ (S. 99) gegenüber den Pfarreien im Ordensgebiet und das Verhältnis des Deutschen Ordens zu anderen geistlichen Orden kommen zur Sprache, wobei Jähnig von einem Mangel an Priesterbrüdern im Orden ausgeht, so dass dieser bei der Besetzung von Pfarrstellen häufiger auf Geistliche anderer Orden und den Weltklerus zurückgriff. Nach einer kurzen Vorstellung der räumlichen Gliederung des Ordens diskutiert Jähnig die Herkunft der Deutschordensbrüder aus dem ostwestfälischen und niederdeutschen Raum und stellt die Ordensführung anhand der wichtigsten Ämter vor. Der „Regierung und Zentralverwaltung“ ist das ausführliche siebte Kapitel gewidmet. Es kommen die Organisation der Verwaltung mit dem Gebietigerrat, der Kanzlei inklusive diplomatischen Personals, die Kammer und einige weitere Ämter, dann die einzelnen Tätigkeitsbereiche wie Finanzverwaltung, Verwaltung der Abgaben und Dienste der abhängigen Bauern, Landesausbau und Wirtschaftsführung zur Sprache. Schließlich wendet Jähnig sich, leider unter Beschränkung auf die wichtigsten Kontrollmittel Visitation und Kapitel, dem Verwaltungshandeln zu. Diesbezüglich bleiben tiefere Einblicke bedauerlicherweise Aufgaben für weitere Forschungen. Organisation und Aufgaben der örtlichen Verwaltung in den Komtureien und einige Bemerkungen zur Gerichtsbarkeit des Ordens bilden die letzten beiden Kapitel des Bandes.

Lobenswert ist der zweiteilige Anhang des Bandes. Er beinhaltet eine Reihe von Listen mit Ordenspersonal. Neben den Meistern des livländischen Ordenszweiges mit ihren Amtszeiten werden auch die Landmarschälle, die Komture und Vögte sowie die Kapläne und Kanzler der Landmeister aufgeführt. Es folgen einige Livlandkarten zu unterschiedlichen Themen und Grundrisse von Ordensburgen. Ein Personen-, Orts- und Sachindex rundet den Band ab.

Die Darstellung ist insgesamt klar und zielführend gegliedert, in sich logisch und verständlich geschrieben. Sie fasst den Stand der Forschung kompetent zusammen. Gelegentlich wünscht man sich insbesondere für diejenigen Leser, die sich noch nicht intensiv mit der livländischen Geschichte befasst haben, eine etwas breitere Kontextualisierung. Jähnigs größtes Problem ist, dass Quellenlage und Forschungsstand es oftmals nur erlauben, Fragen anzureißen. Er behilft sich in solchen Fällen oft mit einem Verweis auf die Lage im deutlich besser erforschten preußischen Ordenszweig, ohne jedoch diese Ergebnisse auf Livland direkt zu übertragen. Stattdessen diskutiert er eine mögliche Vergleichbarkeit mit den livländischen Verhältnissen.

Der vorliegende Band ist längst überfällig und eine Bereicherung für die Forschung zum mittelalterlichen Livland. Er wird lange grundlegend bleiben.

Dennis Hormuth, Kiel

Zitierweise: Dennis Hormuth über: Bernhart Jähnig: Verfassung und Verwaltung des Deutschen Ordens und seiner Herrschaft in Livland. Berlin, Münster: Lit, 2011. 333 S., 8 Ktn., 3 Abb., 2 Tab. = Schriften der Baltischen Historischen Kommission, 16. ISBN: 978-3-643-11005-3, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Hormuth_Jaehnig_Verfassung_und_Verwaltung.html (Datum des Seitenbesuchs)

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