Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 1 (2011), 3 Rezensionen online

Verfasst von: Edgar Hösch

 

Bilder der Macht in Mittelalter und Neuzeit. Byzanz – Okzident –Rußland. Hrsg. von Otto G. Oexle und Michail A. Bojcov. Göttingen: Vandenhoeck & Rup­recht, 2007. 675 S., Abb. = Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 226. ISBN: 978-3-525-35878-8.

Obrazy vlasti na Zapade, v Vizantii i na Rusi. Srednie veka. Novoe vremja. Pod rdakciej Michaila A. Bojcova i Otto G. Ėksle. Moskva: Nauka, 2008. 443 S. ISBN: 978-5-02-035553-8.

Seit den frühen neunziger Jahren kam zwischen dem Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen und dem Institut für Allgemeine Geschichte der Akademie der Wissenschaften in Moskau ein reger wissenschaftlicher Austausch in Gang. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trafen sich abwechselnd zu Kolloquien in Göttingen und in Moskau und beteiligten sich an Gastaufenthalten. Die Ergebnisse der beiden ersten gemeinsamen Tagungen zur Thematik der Individualität im Mittelalter und in der frühen Neuzeit liegen in einer russischen und einer deutschen Ausgabe vor (Čelovek i ego blizkie na zapade i vostoke Evropy. Moskau 2000; Das Individuum und die Seinen. Individualität in der okzidentalen und in der russischen Kultur in Mittelalter und früher Neuzeit. Göttingen 2001; V svoem krugu. Individ i gruppa na zapade i vostoke Evropy do načala novogo vremeni. Moskau 2003). Die beiden vorliegenden Sammelbände enthalten die Vorträge der letzten Tagungen in Göttingen (2002) und in Moskau (2003). Die Parallelausgaben sind nicht vollkommen identisch. In der russischen Ausgabe werden die Beiträge in anderer Reihenfolge nach Themengruppen angeordnet, außerdem wurden vier Vorträge, die schon an anderer Stelle veröffentlicht worden waren, nicht erneut abgedruckt. Im Einzelfall lohnt es sich, einen Blick auf die russischsprachigen Texte zu werfen. Vor allem in den Fußnoten werden hier zusätzliche Informationen geboten, die in der deutschen Textfassung fehlen.

Thematische Vorgabe für die Teilnehmer der beiden Kolloquien waren „gedachte und reale Bilder“ der Macht in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft. Bedauerlicherweise haben die Herausgeber auf eine breiter angelegte Methodendiskussion und eine systematische Einführung in die einschlägige Forschungsproblematik verzichtet. Der Leser sieht sich so unvermittelt mit isolierten Einzelaspekten der Thematik aus der byzantinischen, westeuropäischen und russischen Geschichte konfrontiert. Themen der  russischen Geschichte werden in acht Vorträgen behandelt. Einen Schwerpunkt bilden dabei Beobachtungen zum höfischen und kirchlichen Zeremoniell als Sinnbild der Macht und der ideologischen Selbstdarstellung von den ersten Romanovs (Igor Andreev) bis zum frühen Sowjetstaat (Manfred Hildermeier). Die innergesellschaftliche Bedeutung der Herrschertitulatur demonstriert Alexander Lavrent’ev am Beispiel des ersten Falschen Demetrius, und Olga Košeleva zeigt an der Wortwahl, die Peter der Große für seine Dekrete verwendete, die grundlegenden Veränderungen in der Präsentation des herrscherlichen Machtanspruches gegenüber der bisherigen Praxis in Russland auf. Alexander Ševyrev untersucht die topographischen und architektonischen Visualisierungen der Staatsmacht am Beispiel der Residenzstädte St. Petersburg und Moskau und erkennt in den repräsentativen Monumentalbauten und in den zeremoniellen Abläufen unterschiedliche Identifikationen der russischen Monarchen als europäische Kaiser bzw. russische Zaren. Ivan A. Ivanov geht den Hintergründen und Begleitumständen der ungleichen Selbstrepräsentation der Lübecker und der Stralsunder Abgesandten bei der hansischen Gesandtschaft nach Moskau im Jahre 1603 nach.

Einen originellen Zugang zur Entschlüsselung der altrussischen Chroniktexte (Povest vremennych let) unternimmt Igor Danilevskij. Er versucht, aus der mehrfachen direkten oder indirekten Identifizierung russischer Fürsten mit biblischen Vorbildern neue Erkenntnisse zu gewinnen. Bei der Lektüre der sechs russischen Beiträge zu Themen der westeuropäischen Geschichte beeindruckt die beachtliche Kenntnis der einschlägigen Quellen und der relevanten Forschungsliteratur, die sich Mediävisten an russischen Forschungseinrichtungen inzwischen angeeignet haben und die ihnen einen Dialog auf gleicher Augenhöhe ermöglichen.

Edgar Hösch, Würzburg

Zitierweise: Edgar Hösch über: Bilder der Macht in Mittelalter und Neuzeit. Byzanz – Okzident –Rußland. Hrsg. von Otto G. Oexle und Michail A. Bojcov. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007. = Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 226. ISBN: 978-3-525-35878-8; Obrazy vlasti na Zapade, v Vizantii i na Rusi. Srednie veka. Novoe vremja. Pod rdakciej Michaila A. Bojcova i Otto G. Ėksle. Moskva: Nauka, 2008. ISBN: 978-5-02-035553-8, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Hoesch_SR_Bilder_der_Macht_Obrazy_vlasti.html (Datum des Seitenbesuchs)

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