Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jg.e-reviews 8 (2018), 1 Rezensionen online / Im Auftrag des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Verfasst von: Zaur Gasimov

 

Suha Bolukbasi: Azerbaijan. A Political History. London: Tauris Publishers, 2013. XVI, 292 S., 11 Abb., 3 Ktn. ISBN: 978-1-78076-759-8.

Die politische Zeitgeschichte Aserbaidschans wurde in den letzten zweieinhalb Dekaden nach dem Zerfall der Sowjetunion und der partiellen Öffnung durch eine Reihe von westlichen wie auch aserbaidschanischen Historikern erforscht. Während die aserbaidschanische Geschichtsforschung – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – unter ausgeprägtem Nationalismus leidet und sich mit den ideologischen Gegebenheiten des autoritären Regimes im gegenwärtigen Aserbaidschan abzufinden hat, kommen viele außeraserbaidschanischen Forscher aufgrund fehlender Sprachfertigkeiten rasch an ihre Grenzen. Die Arbeiten zum Stalinismus sowie zum Schriftwechsel, die im deutschsprachigen Raum im letzten Jahrzehnt entstanden sind, sind Paradebeispiele für eine asymmetrische, ausschließlich auf russischsprachigen Quellen beruhende zeitgeschichtliche Forschung. Ein anderes Beispiel lieferte die US-amerikanische „Sowjetologie“ seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Tadeusz Swietochowski und Audrey Altstadt, die sich seit den siebziger Jahren mit der spätzaristischen und der frühsowjetischen Geschichte Aserbaidschans sowie auch mit der Zeit der Perestrojka und sogar der nachsowjetischen Epoche befasst haben, lasen sowohl Aserbaidschanisch als auch Russisch. Die Monographien der beiden Autoren, die vor dreißig Jahren veröffentlicht wurden, sind bis heute unübertroffen.

Suha Bolukbasi ist ein in den USA ausgebildeter türkischer Politologe und Professor der internationalen Beziehungen an der renommierten Middle East Technical University in Ankara. 2013 veröffentlichte er seine Monographie unter dem Titel Azerbaijan. A Political History im Verlag I. B. Tauris. Das Buch besteht aus sieben thematisch und chronologisch gegliederten Kapiteln sowie einer Einführung und einer Zusammenfassung und hat zum Ziel die „politische Geschichte“ der Republik Aserbaidschan nachzuzeichnen. Der Autor, der in den Osteuropa- wie auch in den Nahostwissenschaften ausgebildet wurde, setzte sich zur Aufgabe, die politischen Entwicklungen des zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Zuge der russisch-persischen Kriege von Persien an Russland abgetretenen und von den turksprachigen, mehrheitlich schiitisch geprägten Aserbaidschanern bewohnten Gebiets nachzuzeichnen. Sein Schwerpunkt liegt eindeutig in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die kurze, jedoch durchaus wichtige Periode der Aserbaidschanischen Demokratischen Republik (1918–1920) und die Entwicklungen während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viel zu kurz dargestellt. Den Analysen zur Evolution und Entwicklung des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts um die mehrheitlich von ethnischen Armeniern bewohnte aserbaidschanische Enklave Bergkarabach wurde zwar mehr Aufmerksamkeit geschenkt, jedoch scheint der Autor sich vor allem mit den englischsprachigen Publikationen auseinandergesetzt zu haben. Das gesamte Buch gibt zwar die wichtigsten Meilensteine der sowjetischen und postsowjetischen aserbaidschanischen Geschichte wieder, beruht jedoch ebenfalls fast ausschließlich auf der englischsprachigen Fachliteratur aus der Feder US-amerikanischer UdSSR-Forscher wie Tadeusz Swietochowski, Audrey Altstadt, Ronald Gregor Suny u. a. Beinahe gänzlich ausgelassen sind die Memoiren aserbaidschanischer Intellektueller, Volksfrontaktivisten, Nachrichtendienstler und Diplomaten, die gerade in den letzten zehn Jahren zugänglich wurden.

Unzureichend geht Bolukbasi auf die (sowjet-)aserbaidschanisch-iranischen Beziehungen, Kontakte und Interaktion ein. Diese waren jedoch sehr prägend für die Herausbildung des aserbaidschanischen Nationalismus vor allem in nachstalinistischer Zeit. Trotz der genannten Defizite ist das Buch allen zu empfehlen, die sich in kurzer Zeit einen Überblick über die Meilensteine der politischen Entwicklung im spät- und nachsowjetischen Kaukasus im allgemeinen und in Aserbaidschan im besonderen verschaffen wollen.

Zaur Gasimov, Istanbul

Zitierweise: Zaur Gasimov über: Suha Bolukbasi: Azerbaijan. A Political History. London: Tauris Publishers, 2013. XVI, 292 S., 11 Abb., 3 Ktn. ISBN: 978-1-78076-759-8, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Gasimov_Bolukbasi_Azerbaijan.html (Datum des Seitenbesuchs)

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