Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 2011, 1

Verfasst von: Stefanie Friedrich/Bernd Robionek

 

Barbara N. Wiesinger Partisaninnen. Widerstand in Jugoslawien (1941–1945). Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2008. 176 S., 13 Abb. = L’Homme Schriften. Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft, 17. ISBN: 978-3-205-77736-6.

Die vorliegende Monographie, die auf der 2005 an der Universität Salzburg eingereichten Dissertation der Autorin basiert, gewährt einen genderspezifischen Einblick in den Alltag der von Tito während des Zweiten Weltkriegs auf dem Gebiet Jugoslawiens geführten sogenannten Volksbefreiungsbewegung. Während die Beteiligung von Frauen am bewaffneten Widerstand im sozialistischen Jugoslawien glorifiziert wurde und auch in wissenschaftlichen Publikationen wiederholt als Schlüssel zum Wandel der Geschlechterverhältnisse genannt wird, macht Wiesinger sehr deutlich, mit welchen Schwierigkeiten für Frauen der Versuch verbunden war, sich vom herkömmlichen Rollenbild abzuwenden.

Sie zeigt, dass gesellschaftlich verbreitete ‚traditionelle‘ Vorstellungen von Geschlechterrollen und die damit einhergehende Diskriminierung von Frauen auch in der Volksbefreiungsbewegung nie vollständig überwunden wurden. So übernahmen Frauen hier zunächst, wie auch bei den anderen Kriegsparteien, ‚klassische Frauenaufgaben‘ wie die Verpflegung, die Versorgung der Kranken und Verwundeten sowie logistische Aufgaben (S. 34–37 und 47–63). Diese Tätigkeiten waren per se mit einem geringeren Status verbunden, was sich während der Kriegsjahre sehr konkret auf die Lebensverhältnisse der Frauen – beispielsweise bei der Zuteilung von Lebensmittelrationen – auswirken konnte. Über den im Sozialismus verankerten theoretischen Gleichstellungsanspruch hinaus wurde ein gewisses Maß an Gleichbehandlung allmählich auch praktisch umgesetzt, so dass Frauen vermehrt auch als Kombattanten an Kampfhandlungen teilnahmen (S. 38–41). Dies geschah jedoch nicht ohne Widerstände in den eigenen Reihen und bedeutete auch keinesfalls das Ende weiblicher Diskriminierung (S. 65–71).

Wie Wiesinger deutlich macht, übernahmen Frauen in der Volksbefreiungsarmee jedoch auch weiterhin – und nun zusätzlich zu ihrem regulären Dienst – vermeintliche ‚Frauenaufgaben‘ wie die Pflege der Kleidung ihrer Kameraden (S. 109–111). Während Aufopferungsbereitschaft von Frauen in der Partisanenarmee einerseits hoch gelobt und andererseits auch erwartet wurde, wurden sie bei der Besetzung höherer militärischer Posten und bei der Auswahl für militärische Ehrungen hingegen kaum berücksichtigt (S. 69 und 86–91). Wiesingers Entglorifizierung der Partisanenarmee als Ausgangspunkt der Geschlechtergleichstellung sticht neben anderen Publikationen durch ihren durchaus kritischen Blickwinkel hervor. Zwar hat sich die Autorin mit der Auswertung selbst geführter Zeitzeuginnen-Interviews eine einzigartige Quellenbasis geschaffen, die naheliegende Option, Material aus den staatlichen Archiven zu verwenden, ließ sie jedoch ungenutzt.

Während in Wiesingers Arbeit die Rolle von Frauen als Unterstützerinnen der schließlich siegreichen Partisanenarmee ausführlich behandelt wird, bleibt die Frage nach Geschlechterdifferenzen im Umgang mit den Besiegten jedoch offen. Dies wäre eine durchaus sinnvolle Ergänzung und verspräche überdies einen Erkenntnisgewinn bei der Frage nach einer Verankerung sich wandelnder Geschlechterrollen. Weiterhin bliebe es eine verdienstvolle Aufgabe, die weibliche Partizipation in der jugoslawischen Partisanenarmee, möglicherweise auf komparativer Basis, in den europäischen Kontext zu stellen, denn sie war keinesfalls ein singuläres Phänomen. Lief die bewaffnete Teilnahme von Frauen am Spanischen Bürgerkrieg oder in der Roten Armee anders ab oder lassen sich Erkenntnisse aus diesen und ähnlichen Fällen auf die Situation in Jugoslawien übertragen? Den offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Anspruch auf eine vollständige weiblichen Emanzipation, die dem Begriff empowerment gerecht wird, und einer halbherzigen faktischen Gleichstellung in einem Gesellschaftssystem, das die Eliminierung politischer Pluralität mit sich brachte, konnten die jugoslawischen Kommunisten auch in der Folgezeit nicht aufheben.

Stefanie Friedrich, Münster/Hannover und Bernd Robionek, Berlin

Zitierweise: Stefanie Friedrich/Bernd Robionek über: Barbara N. Wiesinger Partisaninnen. Widerstand in Jugoslawien (1941–1945). Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2008. = L’Homme Schriften. Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft, 17. ISBN: 978-3-205-77736-6, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Friedrich_Robionek_Wiesinger_Partisaninnen.html (Datum des Seitenbesuchs)

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