Jahrbücher für Geschichte Osteuropas:  jgo.e-reviews 2011, 1

Verfasst von: Eva Frantz

 

Engelbert Deusch Das k.(u.)k. Kultusprotektorat im albanischen Siedlungsgebiet in seinem kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2009. 1035 S. = Zur Kunde Südosteuropas II/38. ISBN: 978-3-205-78150-9.

Den Gegenstand der vorliegenden, mehr als 1000 Seiten umfassenden Monographie von Engelbert Deusch bildet das österreichische bzw. österreichisch-ungarische Kultusprotektorat über die im Osmanischen Reich lebenden Katholiken im albanischsprachigen Siedlungsgebiet, das heißt im heutigen Nordalbanien und im Kosovo sowie in Teilen der heutigen Staaten Montenegro und Makedonien. Die Studie konzentriert sich auf das 19. Jahrhundert – insbesondere dessen zweite Hälfte –, in welchem der Einfluss Österreich-Ungarns und dessen Schutzrechte erfolgreich ausgebaut werden konnten. Deusch verwendet in seiner Studie mehrheitlich unpublizierte Quellen aus den Beständen des Österreichischen Haus-, Hof- und Staatsarchivs, daneben aber auch Akten aus dem Archiv der Republik Österreich, dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv und dem Kriegsarchiv in Wien sowie dem Konsistorialarchiv der Erzdiözese Salzburg. Ergänzend hat er britische, italienische und französische Aktenpublikationen benützt.

Die Arbeit ist in 22 Kapitel mit weiteren Unterkapiteln eingeteilt. Einleitend skizziert Deusch zunächst kurz die rechtliche Stellung der Christen im Osmanischen Reich und beschreibt dann die Entstehung und vertragliche Weiterentwicklung des österreichischen Kultusprotektorates. Dieses basierte auf internationalen Verträgen mit dem Osmanischen Reich, die infolge der Türkenkriege im 17. und 18. Jahrhundert abgeschlossenen worden waren und Österreich(-Ungarn) gewisse Schutzrechte über die Katholiken in Südosteuropa einräumten. An dieser Stelle thematisiert der Verfasser auch knapp die Rolle Frankreichs und Russlands als Protektoratsmächte über Katholiken und Orthodoxe im Osmanischen Reich. In den folgenden Kapiteln geht er darauf ein, wie sich das österreichisch(-ungarische) Kultusprotektorat vom 19. Jahrhundert bis zur jungtürkischen Revolution entwickelte und welche Schutzrechte und -pflichten im albanischen Raum existierten. In einem eigenen Abschnitt gibt Deusch einen Überblick über die katholische Kirchenstruktur und macht Angaben zu den Bevölkerungsverhältnissen nach religiöser Zugehörigkeit. Eigens widmet er sich den Lebensverhältnissen des römisch-katholischen Klerus und gibt Einblicke in die Wohnverhältnisse, das Einkommen und die umfangreichen österreichisch-ungarischen Subventionen. In weiteren Kapiteln streift der Verfasser kursorisch religiöse und gewohnheitsrechtliche Bräuche sowie die Haltung und den Einfluss des Klerus und berichtet aus dem Alltag des Kultusprotektorates. Unverhältnismäßig lang sind die Kapitel über den Bau von Kirchen und die Interventionen für Kirchenbesitz. Die daran anschließenden Teile des Werkes behandeln die Rolle einzelner Bischöfe, der Jesuiten und der Franziskaner sowie die Tätigkeit von katholischen Schwesterngemeinschaften, die Ausbildung von Priestern in Österreich-Ungarn, die Konkurrenz Österreich-Ungarns zu Frankreich und Italien, die letztlich ergebnislosen Konkordatsverhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl, Österreich-Ungarn, Frankreich und der Pforte sowie die Rolle des armenisch-katholischen Patriarchen in diesen Verhandlungen. Das umfangreichste Kapitel der Arbeit ist der Geschichte der von Österreich-Ungarn subventionierten katholischen Schulen und Institute sowie deren Tätigkeit gewidmet. In seinem kurzen, zweiseitigen Fazit hält Deusch fest, dass Österreich-Ungarn sein ausschließliches Recht, katholische Institutionen und Geistliche zu unterstützen, erfolgreich gegenüber dem Heiligen Stuhl sowie gegenüber Frankreich durchsetzen konnte. Möglich war dies gerade durch das dichte Konsulatsnetz, das die Monarchie im 19. Jahrhundert in der Region ausgebaut hatte. Eine weitere wichtige Rolle spielten die hohen Subventionen, durch die der lokale Klerus an Österreich-Ungarn gebunden werden konnte. Das Ziel dieser Politik der Wiener Regierung war freilich, sich eigene Macht- und Einflusszonen vor dem Hintergrund der Rivalität mit Serbien und Russland zu sichern.

Deusch hat eine äußerst umfangreiche, arbeitsintensive Monographie zu einem wichtigen, bisher nur partiell bearbeiteten Gebiet der österreichisch-ungarischen und albanischen Geschichte vorgelegt. Umso bedauerlicher sind die Mängel der Untersuchung. Am meisten vermisst der Leser eine der allgemeinen Thematik übergeordnete, forschungsleitende und fokussierende Fragestellung. Die Gliederung ist an vielen Stellen nicht überzeugend und das zwölfseitige Inhaltsverzeichnis viel zu lang. Das Thema hätte sicher auf eine kürzere und präzisere Weise besser bearbeitet werden können. Zumindest wäre jedoch in Anbetracht der Länge des Bandes eine konzise und ausführlichere Zusammenfassung wünschenswert gewesen. Beeindruckend sind auf der einen Seite die quellenreiche Darstellung und die teilweise eindrücklichen Zitate aus den Konsulatsberichten. Auf der anderen Seite nimmt der Verfasser keine Analyse und Einordnung der Quellen vor, sondern bleibt oft in Details verstrickt. Dabei schildert Deusch eine Reihe interessanter Einzelheiten – so schreibt er etwa über geistliche Schmuggler oder Priester als Kinderschreck, Themen, die im Rahmen einer Alltagsgeschichte des Kultusprotektorats auch methodisch anregend gewesen wären. Zu kritisieren ist, dass Deusch an vielen Stellen unreflektiert die Sprache der Konsuln übernommen hat. Sprachlich und stilistisch hätte das Werk noch erheblich überarbeitet werden müssen. Negativ fällt zudem auf, dass die herangezogene Forschungsliteratur teilweise nicht dem aktuellen Stand entspricht. Positiv hervorzuheben sind neben einer Reihe von anschaulichen Zitaten die Tabellen und graphischen Darstellungen – leider fehlt hier ein entsprechendes Verzeichnis – sowie das Orts- und Personennamenregister. Deusch, der zunächst als katholischer Religionslehrer und später als promovierter Historiker an Gymnasium und Pädagogischer Hochschule unterrichtete und sich während dieser Zeit sowie im Ruhestand auch in mehreren Artikeln mit dem Thema auseinandersetzte, hat insgesamt eine sehr interessante Arbeit vorgelegt, die aber durchaus auch noch Raum für die vertiefende Erforschung von speziellen Fragestellungen lässt.

Eva Anne Frantz, Wien

Zitierweise: Eva Frantz über: Engelbert Deusch Das k.(u.)k. Kultusprotektorat im albanischen Siedlungsgebiet in seinem kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld. Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2009. = Zur Kunde Südosteuropas II/38. ISBN: 978-3-205-78150-9, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/erev/Frantz_Deusch_Das_Kultusprotektorat.html (Datum des Seitenbesuchs)

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