Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Band 58 (2010) H. 3, S.  448-449

Alfons Brüning Unio non est unitas. Polen-Litauens Weg im konfessionellen Zeitalter (1569–1648). Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2008. IX, 411 S. = Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, 72. ISBN: 978-3-447-05684-7.

Beim Titel, welchen es hier anzuzeigen gilt, handelt es sich um die leicht erweiterte Fassung einer 2005 an der FU Berlin abgeschlossenen Dissertation. Der Autor hat sich mit ihr zum Ziel gesetzt, das Konfessionalisierungsparadigma, das mit Blick auf Teile des westlichen Europa verschiedentlich erprobt und modifiziert worden ist, auf Polen-Litauen anzuwenden. Damit soll ein Ausschnitt der osteuropäischen Geschichte in allgemeine europäische Zusammenhänge eingeordnet werden.

Brüning baut seine Arbeit vorwiegend auf den Ergebnissen der Forschung auf, insbesondere der polnischen und der westlichsprachigen. Er verzichtet weitestgehend darauf, sich mit ediertem oder anderem Quellenmaterial auseinanderzusetzen und neues solches in die Diskussion einzuführen, auch wenn er einzelne Quellen wie die Warschauer Konföderation von 1573 durchaus einer aufmerksamen Interpretation unterzieht. Deutlich relativiert er dabei die „polnische Toleranz“ als einen vorwiegend politisch motivierten, immer als vorläufig gedachten Kompromiss. Dieser fußte auf der adeligen Standessolidarität und der Verpflichtung des politischen Systems der Adelsrepublik auf den Konsens, nicht jedoch auf einem religiös-philosophisch fundierten modernen Toleranzbegriff.

Der Forschungsbeitrag des Autors besteht deshalb vor allem darin, eine Synthese der Übergangszeit zum konfessionellen Zeitalter in Polen-Litauen zu wagen (bis zur Mitte des 17. Jahr­hunderts). Diese Synthese hat insbesondere ein großes Verdienst: Sie beschränkt sich nicht nur auf die verschiedenen protestantisch-reformierten Glaubensrichtungen und die katholische Konfession, was dem gemeinhin üblichen Ansatz entspräche. Vielmehr nimmt sie auch die Welt der polnisch-litauischen Orthodoxie in den Blick.

Zuvor allerdings widmet Brüning ein ausführliches Kapitel der wissenschaftlichen Diskussion zur Konfessionalisierung und den damit zusammenhängenden historischen Entwicklungen in Europa. Anschließend referiert er den Stand der neueren Forschungsergebnisse zum Funktionieren des politischen Systems Polen-Litauens. Sicherlich zu Recht weist der Autor hier darauf hin, dass der „Staat ohne Scheiterhaufen“ und sein später Weg hin zu einer konfessionell weitgehend einförmigen Gesellschaft parallel zum Wandel der ideologischen Orientierungen der politischen Machteliten abliefen: „Allein mit der angeblichen Anarchie der Verfassungsverhältnisse ist diese Toleranz nicht zu erklären. Sie […] entsprach offensichtlich vielmehr gerade der Überzeugung der wichtigen politischen Größen.“ (S. 72) Denn man war sich einig, die in der Union von Lublin (1569) gerade erst hergestellte Einheit des Staatswesens wegen Glaubensfragen nicht zu riskieren.

Die auf dieser Auffassung basierende Toleranz war jedoch nur eine vorläufige. Sie galt, solange politische Mechanismen der Konsensfindung funktionierten und nicht durch konfessionell verankerte Regionalismen und Separatismen (besonders in den Gebieten der orthodoxen Ukraine) in Frage gestellt wurden. Letztere verstärkten das neben der Toleranz immer auch präsente Streben, aus Gründen der inneren und äußeren Sicherheit und des staatlichen Zusammenhalts eine konfessionelle Einheit herzustellen. Die Kriege in der Mitte des 17. Jahrhundert beschleunigten diesen Prozess. Sie führten schließ­lich zu einem im europäischen Vergleich ‚verspäteten‛ Eintritt Polen-Litauens in die Phase der Konfessionalisierung nach einem dominierenden katholischen und zusehends ausgrenzenden Muster.

Die mannigfaltigen protestantischen und reformierten Glaubensrichtungen Polen-Litauens unterlagen im ‚Wettlauf‛ der Konfessionen mit der römisch-katholischen Kirche. Brüning erklärt dies damit, dass sie daran scheiterten, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen. Dies war letztlich den Vorgängen im benachbarten Europa geschuldet, wo reformierte und protestantische Kirchen im Zeichen der Konfessionalisierung immer mehr auf Distanz zueinander gingen – eine Verhärtung der Fronten, die nach Polen-Litauen ausstrahlte und dort eine protestantisch-reformierte Einheit verhinderte.

Demgegenüber gelang es der katholischen Kirche, sich in der polnisch-litauischen Gesellschaft als „vinculum societatis“ durchzusetzen. Diesen Erfolg verdankte sie der Publizistik, den Bildungsanstrengungen und der Propagierung eines Patriotismus, der das exklusive sarmatische Selbstverständnis des Adels als Vormauer der Christenheit förderte. Der post-tridentinische polnische Katholizismus verstand es, das Postulat der Einheit im (katholischen) Glauben zum integralen Kern einer Ideologie zu machen, die sich gegen die äußeren Feinde abgrenzte, die Adelsrepublik mit ihren Institutionen verherrlichte und Polen-Litauen als Hort des rechten Glaubens begriff. Brüning spricht hier von einer „Laisierung der Argumentation“, weg von theologisch-kirchlichen Fragen und hin zu einem in sich stimmigen, konfessionell verankerten gesellschaftlichen Gedankengebäude.

Die vor allem im Großfürstentum Litauen und den südlichen Gebieten der Ukraine dominierende orthodoxe Gesellschaft der Adelsrepublik wurde als letzte in den Diskurs der konkurrierenden christlichen Konfessionen hineingezogen. Die Herausforderung durch Protestantismus und Katholizismus regte so auch die orthodoxe Kirche zu inneren Reformdiskussionen an. Diese spalteten allerdings die ruthenische Gesellschaft seit der Union von Brest 1596 in die mit Rom unierte und die weiterhin in der Halblegalität operierende orthodoxe Kirche. Fragen der Reform von Klöstern und Klerus, des Schul- und Bildungswesens, der konfessionellen Publizistik trieben im konfessionellen Zeitalter die Eliten beider ruthenischer Kirchen um. Nicht anders als bei Protestanten und Katholiken dominierten dabei bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts jene Kräfte, die aufgrund politischer Überlegungen die religiöse Einheit der ruthenischen Gesellschaft mit Hilfe einer Union zwischen Unierten und Orthodoxen wiederum herzustellen versuchten.

Die rund 200 Seiten, die Brüning der Warschauer Konföderation und je separat der Entwicklung der drei genannten christlichen Kirchen widmet, machen den Hauptteil der Dissertation aus. Hier fällt ein Mangel des Buches ins Gewicht, der die Lektüre nicht gerade einfach gestaltet: Der Autor verzichtet auf die Strukturierung seiner Kapitel durch Zwischentitel oder anders visualisierte Sinnabschnitte. So bleibt man in den Kapiteln, die je eine Länge von 50 bis 80 Seiten aufweisen, ziemlich orientierungs- und letztlich auch etwas atemlos. Der Autor verwehrt uns das Innehalten mit der Gelegenheit, seine Schlussfolgerungen zur Kenntnis zu nehmen, zu reflektieren und einem von ihm ausgelegten roten Faden zu folgen. Sicherlich wäre hier eine inhaltliche Binnenstrukturierung hilfreich gewesen. Wer, zusätzlich Orientierung suchend, auf ein Register zurückgreifen möchte, wird leider ebenso enttäuscht, denn es gibt keines. So bleibt beim Rezensenten der Eindruck zurück, dass die Form der Aufbereitung des Materials dem inhaltlich durchaus kenntnisreich und differenziert umgesetzten Ansinnen, das Konfessionalisierungsparadigma auf Polen-Litauen anzuwenden, nicht wirklich einen Dienst erweist.

Christophe von Werdt, Bern

Zitierweise: Christophe von Werdt über: Alfons Brüning: Unio non est unitas. Polen-Litauens Weg im konfessionellen Zeitalter (1569–1648). Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2008. = Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, 72. ISBN: 978-3-447-05684-7, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 3, S. 448-449: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/von_Werdt_Bruening_Unio_non_est.html (Datum des Seitenbesuchs)