Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

 

Ausgabe: 59 (2011) H. 1

Verfasst von:Tatjana Toensmeyer

 

Hans Lemberg, Michaela Marek, Zdeněk Beneš, Dušan Kováč (Hrsg.) Suche nach Sicherheit in stürmischer Zeit. Tschechen, Slowaken und Deutsche im System der internationalen Beziehungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Klartext Verlag Essen 2009. 449 S. = Veröffentlichungen der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission, 16; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa, 31. ISBN: 978-3-89861-127-5.

Auf mittlerweile 16 Bände ist die Veröffentlichungsreihe der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission in den knapp zwanzig Jahren ihres Bestehens nunmehr angewachsen, zurückgehend jeweils auf trilateral ausgerichtete Tagungen. In ihrer jüngsten Publikation „Suche nach Sicherheit in stürmischer Zeit“ wendet sich die Kommission erstmals explizit dem System der internationalen Beziehungen zu, das sie jedoch nicht auf das deutsch-tschechische bzw. deutsch-tschechoslowakische Verhältnis beschränkt. Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Nach einem einleitenden Beitrag von Jan Křen zur böhmischen Frage in der deutschen und österreichischen Politik vor 1918 befassen sich die folgenden fünf Aufsätze mit der Zwischenkriegszeit. Hier kommen die Expertinnen und Experten für die nachgerade klassischen Themen zu Wort: Eduard Kubů widmet sich dem politischen Agieren Edvard Benešs vor dem Völkerbund, Peter Krüger stellt anschaulich die Tschechoslowakei in der deutschen Konzeption internationaler Politik während der durch Locarno geprägten Ära dar. Mit spezifischen Fragen des Minderheitenschutzes befassen sich Sabine Bamberger-Stemmann und Bohu­mi­la Ferenčuhová. Jindřich Dejmek schließlich zeigt die wachsende Beunruhigung der Führung der tschecho­slowakischen Außenpolitik angesichts der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland.

Ein zweiter Block von Beiträgen geht dann Problemstellungen nach, die die Jahre 1938 bis 1948 betreffen: Valerián Bystrický widmet sich dem Problem der Sicherheitsgarantien für den tschechoslowakischen Staat nach dem Münchener Ab­kommen, Yvon Lacaze betrachtet die französische Haltung gegenüber der Tschechoslowakei zwischen 1938 und dem Februarumsturz 1948. Der Beitrag von Edita Ivaničková lässt sich als Pendant hierzu lesen, denn sie diskutiert die Haltung der britischen Regierung nach dem Weg­fall des französischen Verbündeten. Auf die Slowakei konzentriert sich Ivan Kamenec, der die Vorstellungen der Hlinka-Partei über die zukünftige außenpolitische Stellung der Slowakei darlegt. Im Anschluss daran thematisiert Vladislav Moulis das sich zunehmend enger gestaltende Verhältnis zwischen der Londoner Exilregierung und der Sowjetunion, beginnend mit dem Vertrag von 1943 bis zum Jahre 1947. Als entscheidendes Ereignis auf dem Weg in die Abhängigkeit kann die erzwungene Ablehnung der Marshallplan-Hilfe gelten. Slavomír Mi­chálek zeichnet die einzelnen Schritte nach, die dazu führten, und thematisiert auch den Widerhall, den diese Entwicklung bei den Westmächten fand. Den Abschluss des Bandes bilden schließlich drei Beiträge von Manfred Knapp, Vladimír Nálevka und Vilém Prečan. Man­fred Knapp schließt dabei in seinem Aufsatz über die Grundzüge amerikanischer Europapolitik in der Entstehungsphase des Ost-West-Konflikts zwischen 1945 und 1949 an den Aufsatz von Slavomír Michálek an und beleuchtet, wie die Vereinigten Staaten im Wettlauf mit der Sowjetunion in ihre Führungsrolle in Europa hineinwuchsen. In diesem Kontext be­wegt sich auch der Beitrag von Vladimír Ná­lev­ka, der Mitteleuropa zwischen Ost und West verortet und dabei das Ringen um Einflussbereiche zwischen den beiden Supermächten nach­zeichnet und auch Großbritannien in seine Überlegungen mit einbezieht. Der letzte Beitrag schließlich ist auch der umfangreichste. Auf Archivstudien basierend verfolgt Vilém Prečan die Auswirkungen des kommunistischen Februar­um­sturzes von 1948 auf das internationale System sowie speziell auf die beiden deutschen Staaten.

Der Band versammelt somit fünfzehn Studien von ausgewiesenen Fachleuten, die solide Einblicke in die jeweiligen Themenzusammenhänge geben. In ihrer Ausrichtung auf die internationalen Beziehungen setzt die Kommission mit diesem Band einen Akzent, begreift die öffentliche Diskussion über die Tschechoslowakei doch nicht selten primär die Lebensbedingungen der deutschen Minderheiten, und somit Themen der Innenpolitik, als zentrale Problemlage, während hier gezeigt wird, welche bedeutende Rolle die Außenpolitik und das Mächtesystem gespielt haben. Gleichzeitig weist der Band mit dem zentralen Begriff der Sicherheit auch den Weg zu weiteren Fragen, indem im Sinne einer Kulturgeschichte des Politischen das Sicherheitsverständnis und -bedürfnis der politischen Eliten und – als Orientierungshorizont von Politik – auch der Gesellschaften angesprochen wird. Vielleicht wird sich die Kommission in Zukunft ja auch einmal solchen Zusammenhängen widmen können.

Tatjana Tönsmeyer, München/Berlin

Zitierweise: Tatjana Toensmeyer über: Hans Lemberg, Michaela Marek, Zdeněk Beneš, Dušan Kováč (Hrsg.) Suche nach Sicherheit in stürmischer Zeit. Tschechen, Slowaken und Deutsche im System der internationalen Beziehungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Klartext Verlag Essen 2009. = Veröffentlichungen der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission, 16; Veröffentlichungen zur Kultur und Geschichte im östlichen Europa, 31. ISBN: 978-3-89861-127-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Toensmeyer_Lemberg_Suche_nach_Sicherheit.html (Datum des Seitenbesuchs)

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