Stuart Altshuler From Exodus to Freedom. A History of the Soviet Jewry Movement. Rowman & Littlefield Publishers Lanham, Md. 2005. XII, 213 S. ISBN: 0-7425-4936-4.

Stuart Altshuler, Professor an der Chapman-University in Kalifornien und ehemals Vorsitzender des Rabbinic Action Committee der Union of Councils for Soviet Jews (UCSJ), gewährt mit „From Exodus to Freedom einen Einblick in die jüngste Geschichte der sowjetischen und amerikanischen Judenheiten.

Sein Untersuchungsgegenstand, die Unterstützungsbewegung amerikanischer Juden für sowjetische Juden, befindet sich in disziplinärer Hinsicht an der Schnittstelle von Zeit- und Politikgeschichte, in regionaler Hinsicht an der Schnitt­stelle von amerikanischer, sowjetischer und israelischer Geschichte. Das epistemische Potenzial dieser Studie liegt vor allem in der Verknüpfung verschiedener Forschungsfelder, ein Potenzial, das Altshuler nur bedingt ausschöpft. Die Bewegung zur Unterstützung der sowjetischen Juden verbindet historische Entwicklungen wie das ‚Jewish national movement‛ in der UdSSR, das Thema einer wachsenden Forschung und auch einer internationalen Tagung in Jerusalem 2007 war, und die jüdische Emigration aus der UdSSR bzw. ihren Nachfolgestaaten mit eher strukturellen Problemkreisen wie der Holocaust-Rezeption in den Vereinigten Staaten, der Frage der Menschenrechte in den Beziehungen zwischen den beiden Supermächten, dem Friedensprozess im Nahen Osten und schließlich Fragen nach Zugehörigkeit und Selbstverständnis der amerikanischen und sowjetischen Juden. Das ‚Soviet Jewry Movement‛ erweist sich somit als ein Prisma, durch das Dynamiken in den verschiedenen Großnarrativen über den Kalten Krieg, das politische System der USA, der regionale Konflikt im Nahen Osten, Transformationen in der Eigenwahrnehmung von verschiedenen Diasporagruppen und schließlich Dynamiken in der Wahrnehmung des Holocaust betrachtet werden können. Dieses transnationale Phänomen eröffnet nicht zuletzt den Blick auf die Emigrationswelle von sowjetischen und postsowjetischen Juden nach Israel und Deutschland, die das Antlitz und Wesen der deutschen jüdischen Gemeinden ebenso tiefgreifend veränderte wie sie zu gesellschaftlichen und kulturellen Neuformationen in Israel führte.

Ausgangspunkt für Altshulers Studie bildet die Holocaust-Rezeption unter amerikanischen Juden. Hatten sie während des Kriegs und des Genozids ihre Stimme nur kaum vernehmbar erhoben, so sollte sich dies im Hinblick auf die Lage der jüdischen Minderheit in der Sowjetunion und deren sich zuspitzenden Konflikt mit der sowjetischen Regierung nicht wiederholen. Die daraus entstehende Bewegung formierte sich auf zwei Ebenen: einer basisdemokratischen, die vom UCSJ präsentiert wurde, und einer institutionellen, die von der National Conference for Soviet Jewry (NCSJ) vertreten wurde. Altshuler konzentriert sich hierbei auf die Aktivitäten des UCJS, die sich häufig im Widerspruch zu denen des NCSJ befanden. Er zeigt das unterschiedliche Agieren der beiden Organisationen auf, das sich entlang zweier Strategien entfaltete. Der NCSJ verfolgte eine stille Diplomatie, die Altshuler in der Tradition des Shtadlanut-Prinzips sieht, wodurch er einen Bogen zur jüdischen Diplomatiegeschichte zu schlagen versucht, die ihre Wurzeln in dem Fürsprecher-Prinzip des frühneuzeitlichen östlichen Europa hatte. Zum anderen analysiert er das unmittelbare Agieren des UCSJ in Form von öffentlichen Protesten, von direkter Unterstützung der refuseniks, deren prominentester Vertreter wohl Natan Sharansky war. Zentrales Moment in der Debatte zwischen UCSJ und NCSJ bildet deren durchaus nicht konsistente Unterstützung bzw. Ablehnung des 1973 initiierten Jackson-Vanik-Amendment, das die wirtschaftlichen Be­ziehungen zwischen den USA und der UdSSR an die Einhaltung von Menschenrechten knüpfte, genauer gesagt des Rechts auf Emigration.

In seiner Beschreibung der Bewegung konzentriert sich Altshuler auf den Zeitraum von 1985 bis 1991, die Jahre der Perestroika folglich und des Zerfalls der UdSSR. Die dichte Präsentation der internen Auseinandersetzungen lässt den Blick eines Aktivisten des UCSJ erkennen, dessen oft eher dichotomisches Argumentieren (USA vs. UdSSR, UCSJ vs. NCSJ, öffentlicher Protest und offene Unterstützung vs. stille Diplomatie) den Eindruck einer späten Polemik hervorrufen könnte.

Zweifelsohne ist das ‚Soviet Jewry Movement‛ in den Vereinigten Staaten, aber natürlich auch anderswo, etwa in Kanada oder Australien, ein Forschungsfeld mit einem enormen Erkenntnispotenzial. Das Buch von Stuart Altshuler mag als eine der ersten monographischen Studien das Feld für zukünftige Forschung öffnen.

Olaf Terpitz, Leipzig

Zitierweise: Olaf Terpitz über: Stuart Altshuler: From Exodus to Freedom. A History of the Soviet Jewry Movement. Rowman & Littlefield Publishers Lanham, Md. 2005. XII, ISBN: 0-7425-4936-4, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 1, S. 113-114: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Terpitz_Altshuler_From_Exodus.html (Datum des Seitenbesuchs)