Dieter Schenk Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur. S. Fischer Verlag Frankfurt a.M. 2006. 486 S., s/w-Abb.

Mit der vorliegenden Biographie des nationalsozialistischen Juristen und Generalgouverneurs Hans Frank, geboren am 23. Mai 1900 in Karls­ruhe, hingerichtet am 16. Oktober 1946 in Nürn­berg, wurde eine Lücke in der bisher erschienenen Literatur zur Epoche des Nationalsozialismus geschlossen. Verfasst wurde die Darstellung von Dieter Schenk, der sich bereits durch meh­rere Veröffentlichungen zu diesem Themenbereich, so z.B. zu dem Danziger Gauleiter Albert Forster, einen Namen gemacht hat.

Hans Frank, von Beruf Rechtsanwalt, war – nach seinem Studium an der Universität München und seiner Promotion an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel mit dem Thema „Die öffentlichrechtliche juristische Person. Ein Beitrag zur Lehre des Merkmals der öffentlichen Rechtspersönlichkeit“ im Jahre 1924 – sehr bald zur NSDAP gestoßen, wo er u.a. 1928 den „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ begründete. 1930 bis 1945 war Frank auch Mitglied des Reichstages, 1930 bis 1942 Leiter der Rechtsabteilung der Reichsleitung der NSDAP. 1933 wur­de er wie der bayerische Kultusminister und Gau­leiter der Bayerischen Ostmark Hans Schemm kommissarischer Staatsminister in Bayern, und zwar im Justizministerium. 1934 wurde er „Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz in den Ländern und für die Erneuerung der Rechtsordnung“. 1933 bis 1944 leitete er auch die „Akademie für Deutsches Recht“. Am 15. September 1939, während des Krieges gegen Polen, wurde Frank Leiter der zivilen Verwaltung der besetzten polnischen Gebiete, und am 12. Oktober 1939 ernannte ihn Hitler zum Generalgouverneur der – anders etwa als die „Reichsgaue“ Wartheland und Danzig-Westpreußen – nicht in das Deutsche Reich eingegliederten polnischen Gebiete.

Hans Frank hat vor allem durch seine jeglicher Rechtsnorm entbehrenden Gewaltherrschaft gegenüber der jüdischen und polnischen Bevölkerung im Generalgouvernement mit Re­gierungssitz in Krakau internationale Bekanntheit erlangt und wurde wegen seiner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom Internationalen Militärge­richtshof in Nürnberg 1946 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Gegensatz zu den meisten anderen mit ihm zusammen Angeklagten bekannte er sich schuldig, er bekehrte sich zum Katholizismus und verfasste seine Erinnerungen „Im Ange­sicht des Galgens. Deu­tung Hitlers und seiner Zeit aufgrund eigener Erlebnisse und Erkennt­nisse“, erschienen 1953 in München. Für die umfangreiche Darstellung hat der Verfasser nicht nur umfas­sende Studien der bereits erschienenen Literatur durchgeführt, sondern auch die im Bundesarchiv Koblenz und Berlin zur Ver­fügung stehenden Quellen voll ausgeschöpft, wo­bei er sich auch auf das nicht veröffentlichte Privattagebuch Hans Franks stützen konnte.

Erwähnt sei an dieser Stelle, dass das Tagebuch Franks in Polen in deutscher Fassung und pol­nischer Übersetzung von Stanisław Piotrow­ski in Warschau unter dem Titel „Dziennik Hansa Franka“ als erster Band in der Reihe „Sprawy Polskie przed międzynarodowym trybunałem wojennym w Norymberdze“ 1956 veröffentlicht wurde. Außerdem erschien 1998 in Haifa die von Towiah Friedman zusammengestellte „doku­mentarische Sammlung“ „Dr. Hans Frank. Ge­neralgouverneur in Polen als Nazi-Herrscher 1939–1945“. Ferner haben Karol Grünberg und Bolesław Otręba 2001 in Włocławek eine auf Polnisch verfasste Darstellung mit dem Titel „Hans Frank na Wawelu“ [Hans Frank auf dem Wawel] veröffentlicht.

In der vorliegenden Biographie wird die bisher viel zu wenig bekannte Doppelrolle Franks deut­lich, nämlich sein Werdegang als „Kronjurist des NS-Regimes“ und seine Rolle als Generalgouverneur, in der er für den Massenmord an Juden und Polen in höchstem Maße mitverantwortlich war. Auch die für Frank typische Neigung zu Luxus und Korruption wird ausführlich behandelt, womit auch interessante Einblicke in sein Privatleben möglich werden. Der dritte Abschnitt der Biographie ist mit „Hauptkriegsverbrecher“ betitelt und zeigt zahlreiche, bisher unbekannte Aspekte der alliierten Rechtsprechung, aber auch weithin unbekannte Details der Inhaftierung der Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg. Fest steht, dass Frank in seiner Eigenschaft als Generalgouverneur der besetzten polnischen Ge­biete sich bedingungslos den Forderungen der Parteispitzen der NSDAP unterordnete. Sein Name wird für immer mit dem bisher wohl finstersten Kapitel deutsch-polnischer Nachbarschaft verbunden bleiben.

Kritik muss sich der Verfasser wegen des lückenhaften Verzeichnisses der vorgeblich von Hans Frank verfassten Schriften gefallen lassen, wobei selbstverständlich die Frage offen bleibt, inwieweit Frank gerade in den Jahren nach der Machtübernahme dieses umfangreiche Schrifttum tatsächlich selbst verfassen konnte. Hans Frank war u.a. Herausgeber des „Jahrbuches der Akademie für Deutsches Recht“, erschienen in München seit 1934, und der „Arbeitsberichte der Akademie für Deutsches Recht“, erschienen in Hamburg seit 1937. An Veröffentlichungen, die den Namen Hans Frank als Autor tragen, wären u.a. ergänzend zu nennen: „Nationalsozialistische Leitsätze für ein neues deutsches Strafrecht“ (1935), „Grundfragen der deutschen Polizei“ (1937), „Die Gesetzgebung des Dritten Reiches“ (1938), „Das Haus des Deutschen Rechts in München“ (1939) und „Recht und Verwaltung“ (1939). Anlässlich der akademischen Jahresfeier der Technischen Hochschule in München hielt Hans Frank 1940 einen Festvortrag zum Thema „Technik des Staates“, der im selben Jahr in München unter diesem Titel veröffentlicht wurde. Am 15. Oktober 1944 hielt Hans Frank anlässlich des 100. Geburtstages von Friedrich Nietzsche im Rahmen einer Feierstunde auf der Burg in Krakau eine Ansprache (Friedrich Nietzsche. Eine Gedenkrede. Krakau 1944). Von Vorahnungen des Untergangs des „Dritten Reiches“ ist bereits eine Rede Hans Franks geprägt, die er bei der Eröffnung der Schu­lungsburg der NSDAP / Arbeitsbereich Ge­ne­ralgouvernement am 22. Oktober in Krakau über das Thema „Die unsterblichen Ideen des Na­tionalsozialismus“ hielt und die ebenfalls noch im selben Jahr dort unter dem gleichen Titel veröffentlicht wurde.

Trotz dieser bibliographischen Lücken ist es Dieter Schenk gelungen, ein anschauliches und bes­tens lesbares, durch zahlreiche direkte Ar­chiv­belege gestütztes Werk zu veröffentlichen, das auch viele menschliche Aspekte, die leider nur im Bereich der Grausamkeiten des „Dritten Reiches“ zu finden sind, herausarbeitet. Im „Reich“ versuchte Frank noch gegenüber dem von Hitler vertretenen Unrechtsstaat einige juris­tische Prinzipien durchzusetzen, die ihn auch in einen Gegensatz zur nationalsozialistischen Führung brachten. Die von Frank mitzuverantwortende Schreckensherrschaft im Generalgouvernement, also im größeren Teil Polens, gehört zu den finstersten Kapiteln deutscher Geschichte und sollte mit dieser Darstellung einem möglichst großen Leserkreis zugänglich gemacht wer­den.

Helmut W. Schaller, Marburg / Lahn

Zitierweise: Helmut W. Schaller über: Dieter Schenk Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur. S. Fischer Verlag Frankfurt a.M. 2006. 486 S., s/w-Abb. ISBN: 978-3-10-073562-1, in: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Schaller_Schenk_Hans_Frank.html (Datum des Seitenbesuchs)