Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 65 (2017), H. 3, S. 498-499

Verfasst von: Maike Sach

 

Tudor Sălăgean: Transylvania in the Second Half of the Thirteenth Century. The Rise of the Congregational System. Leiden, Boston, MA: Brill, 2016. VI, 292 S., 3 Ktn. = East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450–1450, 37. ISBN: 978-90-04-24362-0.

In multiethnisch geprägten Gebieten konnte (und kann unter entsprechenden Bedingungen auch heute) der Blick auf verfassungsgeschichtliche Entwicklungen schnell durch nationale, tagespolitisch motivierte Interessen verstellt werden. Ein Schlaglicht auf dieses Problem wirft Tudor Sălăgean, Historiker an der Babeş-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca und ebendort auch Direktor des Museums für Ethnographie Transsilvaniens, bereits in der knappen, auch historiographiegeschichtliche Aspekte berührenden Einleitung zu seiner Studie über das mittelalterliche Transsilvanien unter der Herrschaft der letzten Könige aus dem Haus der ungarischen Árpáden und zur Zeit des Dynastiewechsels unter der Regierung Karl Roberts von Anjou. Sălăgeans Ziel besteht darin, den Aufstieg des Adels in diesem Raum, die Entwicklung der von ihm getragenen militärischen und administrativen Strukturen im Spannungsfeld zwischen dem Königtum und der sich entwickelnden regionalen Identität nachzuzeichnen.

Sălăgean beginnt chronologisch mit der Schilderung der Stellung, die Transsilvanien in der Herrschaft und den politischen Plänen der Árpádenkönige  einerseits, aber auch innerhalb der Kreuzzugspläne und der missionarischen Konzeptionen der Kurie in Rivalität zur orthodoxen Kirche im südöstlichen Europa und gegenüber den in der angrenzenden Steppe lebenden Kumanen andererseits verfolgte: So stellte Transsilvanien zu Zeiten des lateinischen Kaiserreiches in Konstantinopel eine wichtige militärische und strategische Verbindung dar. In diesem durch naturräumliche Gegebenheiten für Verteidigungslinien begünstigten Raum existierten zunächst mehrere militärische Strukturen nebeneinander, getragen jeweils vom Deutschen Orden, den Siebenbürger Sachsen, den Szeklern, Rumänen und Pečenegen. Als der erst kurz zuvor ins Land gerufene Deutsche Orden allerdings begann, sich eine eigene Herrschaft aufbauen zu wollen, verwies ihn Andreas II. 1225 des Landes und nutzte die militärischen Strukturen und Befestigungen des Ordens weiter. Neu geschaffen wurde zu dieser Zeit der Titel des dux Transsilvaniae, der zusammen mit dem Oberbefehl über alle Kräfte dem späteren König Béla IV. von seinem Vater übertragen wurden.

Der Mongolensturm im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts war für viele Völker des östlichen Europa ein folgenschweres Ereignis, so auch für Ungarn, wenn es auch nicht, wie die Rus, unter tatarische Oberherrschaft geraten sollte. Der Verfasser beschreibt den Verlauf des Feldzugs von 1241 in Ungarn, der ihm zufolge angesichts der mongolischen Ambitionen in der kumanischen Steppe für die Angreifer besonders wichtig war, um den als gefährlich eingestuften ungarischen Rivalen auszuschalten. Versuche, politisch und militärisch eine effektive Abwehr gegen die Tataren zu organisieren, Bestrebungen, administrative und kirchliche Zentren zu befestigen, bleiben ein roter Faden, der sich durch die Darstellung zieht und einen der Faktoren definiert, die auf die weiteren Entwicklungen in Transsilvanien direkt oder mittelbar einwirkten.

Der Verfasser beschreibt ausführlich die unmittelbaren verheerenden Konsequenzen des Feldzuges, der infolge der Massakrierung und Versklavung von Teilen der Bevölkerung, aber auch durch die Folgen von Flucht und Hunger in eine weitgehende Entvölkerung des Landstrichs mündete. Als langfristige Auswirkungen macht Sălăgean fundamentale Änderungen aus: Die soziale Struktur erfuhr einen Wandel durch Kolonisierungsbestrebungen sowie durch eine Veränderung der Eigentumsstruktur, von der die überlebenden Mitglieder des Adels in stärkerem Maße profitierten als freie Leute. Der Aufstieg des Adels spiegelt sich auch darin, dass ihm in der Region im Rahmen der Reorganisation der Verteidigung eine wichtige Rolle zuwachsen sollte, die angesichts der fortgesetzten militärischen Bedrohung weiter an Bedeutung gewann.

Das politische System wie auch die administrative Gliederung in Transsilvanien wurden allerdings auch noch von anderen Einflüssen bestimmt. Summarisch genannt seien hier die politischen Interessen der jeweils regierenden Könige nach innen und nach außen, Differenzen innerhalb der Herrscherdynastie, die bis zu Bürgerkriegen eskalierten, sowie die Interessen der kirchlichen Akteure im Land, die ihrerseits mit aufstrebenden Adelsfamilien bzw. Oligarchen in Transsilvanien eng verbunden waren oder sich in Rivalität oder gar offener Feindschaft befanden. Auch Konflikte zwischen ethnischen Gruppen wirkten in dieses Spannungsfeld hinein.

Zwar hat der Verfasser seine Studie im Wesentlichen chronologisch angelegt, er versucht aber die Ereignisse und Entwicklungen aus den Perspektiven der verschiedenen Akteure zu schildern. Dabei gelingt es ihm herauszuarbeiten, wie es dem Adel seit dem 2. Viertel des 13. Jahrhunderts neben seiner militärischen Bedeutung für das Königreich gelang, auch ein immer größer werdendes Maß an Befugnissen in der Verwaltung des Landes bzw. zur Selbstverwaltung zu erlangen, so dass Transsilvanien nach Meinung des Verfassers unter dem Voevoden Ladislas II. Kán, dessen Wirken und herausragender Persönlichkeit auch ein eigener Abschnitt gewidmet ist, beinahe souverän gewesen sei.

Im Anhang seiner facettenreichen Arbeit bietet Sălăgean eine Reihe von Übersichten der Adelsversammlungen von 1288–1322. Zusätzlich ermöglichen Listen der Inhaber der Herzogswürde, der Voevoden und Vizevoevoden, der Grafen in den Komitaten Transsilvanien und der Szekler sowie Listen der verschiedenen kirchlichen Hierarchen der Kirche in Transsilvanien schnelle Orientierung. Inhaltlich weiter erschlossen ist die Untersuchung durch ein Personen- und Ortsnamensregister. Ist es aus Gründen der Lesbarkeit sicher nachvollziehbar, dass der Autor im Text seiner Arbeit durchgängig die rumänische Variante von Ortsnamen benutzt, ggf. ergänzt um die ungarische Namensform oder auch die der jeweiligen Quellensprache, so hätte man zumindest im Ortsnamenindex, der teilweise auch die quellensprachlichen Bezeichnungen beinhaltet, ebenfalls Verweise auf die deutschsprachigen Benennungen aufnehmen können, die für die Siedlungen der Siebenbürger Sachsen in diesem historisch multiethnisch, bereits im Mittelalter multikonfessionell und mehrsprachig geprägten Raum überliefert sind.

Maike Sach, Mainz

Zitierweise: Maike Sach über: Tudor Sălăgean: Transylvania in the Second Half of the Thirteenth Century. The Rise of the Congregational System. Leiden, Boston, MA: Brill, 2016. VI, 292 S., 3 Ktn. = East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450–1450, 37. ISBN: 978-90-04-24362-0, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Sach_Salagean_Transylvania.html (Datum des Seitenbesuchs)

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