Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 63 (2015), 2, S. 283-285

Verfasst von: Bernd Robionek

 

Mariana Hausleitner: Die Donauschwaben 1868–1948. Ihre Rolle im rumänischen und serbischen Banat. Stuttgart: Steiner, 2014. 417 S. = Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, 18; Quellen und Forschungen, 2. ISBN: 978-3-515-10686-3.

Sind bereits „Phantomgrenzen“ in den Fokus der historischen Forschung gerückt, so behandelt dieses Buch für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, also mit der Teilung des Banats zwischen Jugoslawien und Rumänien, eine „Phantomregion“. Nur ein Siebtel des empirischen Teils bezieht sich auf die Zeit vor 1918, was nicht zuletzt an der auf den zeitgeschichtlichen Abschnitt zugespitzten Fragestellung liegt: Hausleitner möchte mit ihrer Arbeit Erklärungen liefern, warum die „Donauschwaben“ im Westbanat 1944 flüchten mussten, während sie im Ostbanat weitaus weniger Repressionen ausgesetzt waren. Hierzu fallen einem auf Anhieb die Unterschiede in der Besatzungs- bzw. Bündnis- und Befreiungspolitik und somit auch die Verbrechen deutscher Truppen an der Zivilbevölkerung im besetzten Serbien ein. Die Autorin möchte jedoch tiefere Schichten freilegen, indem sie als ein innovatives Element ihrer Herangehensweise die Frage einführt, ob in den „sozialen Struktur[en] der beiden Teile des Banats Unterschiede festzustellen sind, die Einfluss auf die schnelle Radikalisierung der Schwaben seit 1933 hatten“ (S. 11).

Die Quellenbasis besteht von deutscher Seite überwiegend aus den Beständen des Auswärtigen Amtes, die für Jugoslawien in politikgeschichtlicher Hinsicht spätestens mit Johann Böhms Werk von 2009 (Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918–1941) als umfassend ausgewertet gelten können. Sehr positiv fällt daher auf, dass die Autorin im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in München und im Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen aufbewahrtes Material verwendet hat. Ausländische Archive hat sie nur in Rumänien aufgesucht, sodass hier gegenüber Jugoslawien leider eine deutliche Asymmetrie besteht. Diese Diskrepanz besteht bei der Fachliteratur fort, da neben den deutsch- und englischsprachigen Publikationen allein rumänische zur Geltung kommen. Beiträge auf Serbisch mussten – wohl mangels entsprechender Sprachkenntnisse – unberücksichtigt bleiben.

Umso positiver sticht hervor, dass dieses Manko bei der Umsetzung kaum ins Gewicht fällt. Die Autorin beweist ein feines Gespür für die regionalen Spezifika und die Heterogenität der untersuchten Minderheiten. Endlich erfahren wir mehr über linke Strömungen innerhalb der „schwäbischen“ community. So kommt Hausleitner überzeugend zu dem Ergebnis, dass vor 1918 vor allem Sozialdemokraten zur Verbreitung deutscher Kultur beitrugen. Bei dieser akkuraten Nachzeichnung der minderheitenpolitischen Landschaft spielen die Beziehungen zur jüdischen Bevölkerung eine zentrale Rolle (bsd. S. 131–147). Hausleitner zeigt zudem sehr schön, wenn es etwa um die widerstrebenden Reaktionen unter den (volks-)politisch organisierten Siebenbürger Sachsen auf die antijüdischen Boykotte in Deutschland geht (S. 114 und S. 137), die Interessenpluralität innerhalb der deutschen Minderheiten. Hier legt sie eine enorme Sensibilität für jene regionalen Zusammenhänge an den Tag, die sie durchgängig kompakt und differenziert zugleich auffächert, wobei es sicherlich von Vorteil war, dass sie sich mit einer Reihe einschlägiger Regionalstudien innerhalb des Fachgebiets als unbestreitbare Autorität etabliert hat.

Auch bei der Behandlung der wirtschaftspolitischen Aspekte werden diese Stärken erkennbar (S. 5556, S. 99199). Doch obwohl sich zunehmend herausstellt, dass wirtschaftliche Faktoren essenziell für die Gestaltung der Minderheitenpolitik waren, bleibt Hausleitner am Rand dieses vielversprechenden Neulandes stehen. Zu prüfen wäre beispielsweise noch die Frage, ob die im Vergleich zur Vojvodina aus außenpolitischen Gründen großzügigere Finanzierungspolitik des Reiches gegenüber den Deutschen in Rumänien zu einer schnelleren Etablierung nationalsozialistischen Einflusses führte. Dennoch sind die stellenweise auftauchenden Einblicke als sehr wertvoll zu erachten. Die Autorin verweist sogar darauf, dass die NS-Ideologie die Forderungen nach einer Neuverteilung der von Deutschland bereitgestellten materiellen Ressourcen verstärkte (S. 116117, 122).

Im Vergleich zu den „Erneuerern“ in Jugoslawien fällt bei Rumänien auf, dass die Nazifizierung der „Volksdeutschen“ hier bereits im Frühjahr 1934 weit vorangeschritten war. Sogar konservative Protagonisten wünschten sich nach dem Vorbild im „Mutterland“ Konzentrationslager, um ihre nationalsozialistisch (!) auftretenden Gegner bekämpfen zu können (S. 120), was sicherlich nur ein besonders schillernder Auswuchs der vielfach konfusen Adaption des Nationalsozialismus innerhalb der deutschen Minderheiten war. Im Hinblick auf derartige Phänomene offenbart sich eine methodische Schwäche der Studie: Ein gezielteres Herausarbeiten der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Entwicklungen im jugoslawischen beziehungsweise rumänischen Banat in Form eines synchronen Vergleichs wäre wünschenswert gewesen. Besonders hätte sich eine solche direkte Gegenüberstellung etwa bei der deutlich abweichenden Haltung reichsdeutscher Stellen gegenüber der NS-affinen Opposition jüngerer Kräfte (der „Erneuerer“) angeboten (S. 127). In der Voj­vodina setzte sich das Auswärtige Amt erstaunlich lange (bis 1936) für die konservative Führung ein, während es im östlichen Banat die rasch alternativlos erscheinenden, miteinander konkurrierenden nationalsozialistischen Strömungen schneller akzeptierte und bereits 1935 zwischen ihnen zu vermitteln versuchte.

Hausleitner hat es exzellent verstanden, die komplexen Entwicklungen und unübersichtlichen Wandlungen bündig und schlüssig aufzubereiten und so auch dank des hervorragenden Orts- und Personenregisters eine Art historisches Handbuch zum Thema zu schaffen. Dieses Niveau einer fundierten Synthese auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes hält sie mühelos auch für die 1940er Jahre durch. Mittels Adressierung der nationalen und internationalen Ebenen macht sie die Nachkriegsrepressionen und die Entwicklungen nach 1945 verständlich (S. 292–362). Nur selten treten Ungenauigkeiten auf (der „Volksbund für das Deutschtum im Ausland“ war genau genommen keine „Reichsbehörde“ – S. 165 –, sondern wurde im Rahmen der Gleichschaltung der Volksdeutschen Mittelstelle unterstellt und somit in die SS-Strukturen eingegliedert). Letzten Endes muss Hausleitner jedoch auf die einfache Formel von den übergeordneten Faktoren zurückgreifen, um die Kernfrage nach den Unterschieden bei der Nachkriegsrepression zu beantworten: „Dass in Rumänien keine gezielten Vernichtungsmaßnahmen wie in Jugoslawien stattfanden, lag an den anderen Rahmenbedingungen: Rumänien war kein besetztes Land gewesen und die deutsche Minderheit hatte sich nicht so viele Feinde wie in Jugoslawien gemacht.“. Gleichwohl datiert sie die Genese der Unterschiede bei der Bestrafung der „Volksdeutschen“ bis ins 19. Jahrhundert zurück, da diese in Rumänien „Fürsprecher“ aus dem klerikal-bürgerlichen und sozialdemokratischen Lager hatten (S. 363 und S. 374). Einen Akzent legt die Autorin hier ferner auf die spätere Einführung der kommunistischen Einparteienherrschaft in Rumänien. Hochtinteressant ist der Befund zur volksdeutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte, wonach „im Westbanat die Gier einiger Schwaben die Vernichtung der Juden beschleunigt“ und umgekehrt „die Angst der Rumänen vor einer zusätzlichen Stärkung der Wirtschaftskraft der deutschen Minderheit zum Überleben der Juden Rumäniens“ beigetragen habe (S. 367368).

Unterm Strich hat die Autorin mit ihrem sehr wertvollen Beitrag zwei wichtige Funktionen zugleich erfüllt: Bei einem problemorientierten Ansatz bietet sie eine umfassende Geschichte der deutschen Minderheiten im Banat und setzt so zugleich neue Maßstäbe für die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den dortigen Donauschwaben.

Bernd Robionek, Berlin

Zitierweise: Bernd Robionek über: Mariana Hausleitner: Die Donauschwaben 1868–1948. Ihre Rolle im rumänischen und serbischen Banat. Stuttgart: Steiner, 2014. 417 S. = Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, 18; Quellen und Forschungen, 2. ISBN: 978-3-515-10686-3, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Robionek_Hausleitner_Donauschwaben_1868-1948.html (Datum des Seitenbesuchs)

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