Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Band 58 (2010) H. 3, S.  463-464

Hans-Christian Maner Multikonfessionalität und neue Staatlichkeit. Orthodoxe, griechisch-katholische und römisch-katholische Kirche in Siebenbürgen und Altrumänien zwischen den Welt­kriegen (1918–1940). Franz Steiner Verlag Stuttgart 2007. 408 S. = Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa, 29. ISBN: 978-3-515-09011-7.

Mit seiner Leipziger Habilitationsschrift legt Hans-Christian Maner eine vielschichtige Studie zum Verhältnis Staat, Kirche und Nation in der rumänischen Zwischenkriegszeit vor. Er demon­striert eindrücklich, dass die Multikonfessio­nalität des neuen Großrumänien zu seinen wichtigsten Integrationsproblemen gehörte, denn dieses Phänomen barg neben der theologischen und kirchenrechtlichen auch eine ethnische und minderheitenpolitische, letztlich also eine staatspolitische Dimension in sich.

Im Spannungsfeld Staat, Kirche und Nation definierte sich die Orthodoxe Kirche (Biserica Ortodoxă Română BOR) traditionell als älteste und wichtigste Institution zur Konsolidierung der rumänischen Nation. Sie betonte einerseits die Trennung von Kirche und Staat, was in der Zwischenkriegszeit v. a. im Kampf für ein konfessionelles Schulwesen sowie für eine autonome Besetzung von Kirchen­ämtern deutlich wurde. Andererseits forderte sie vom Staat eine Sonderbehandlung. Aufgrund ihrer historischen Verdienste und gegenwärtigen Leistungen um und für die Einheit der rumänischen Nation, so dass diese eigentlich eine Einheit mit der Orthodoxie bildete, müsse die BOR im Verhältnis zu anderen Konfessionen deutlich bevorzugt werden, nämlich als Staatsreligion anerkannt werden. Diese konfrontative Haltung der BOR sowie die nationale Einbettung ihrer Interessen belasteten den konfessionellen Frieden erheblich. Als sie manch ihrer zentralen Forderungen nicht durchsetzen konnte, steigerte die orthodoxe Kirchenhierarchie ihre Skepsis gegenüber der Parteienpolitik zu einem antiparlamentarischen Diskurs, so dass die BOR die Abkehr vom parlamentarischen System und die Errichtung der Königsdiktatur ebenso aktiv unterstützte wie die Errichtung des Legionärsstaates und schließlich auch der Militärdiktatur Ion Antonescus.

Die griechisch-katholische (unierte) Kirche war in der Zwischenkriegszeit bestrebt, ihre wichtige Rolle für die Rumänen Siebenbürgens in der Habsburgermonarchie ins neue Großrumänien hinüberzuretten. Aufgrund ihres regionalen Charakters und ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Universalkirche stieß sie in orthodoxen Kreisen sowie in der zentralistisch ausgerichteten Nationalliberalen Partei auf erhebliche Vorbehalte. Zwar war die unierte Kirche bereits in der Verfassung als Nationalkirche gewürdigt worden und mit dem Konkordat von 1927 war schließlich auch eine organisatorische Stabilisierung gelungen, aber seitens der BOR und ihr nahestehender Intellektueller wurde dieser Zustand niemals voll akzeptiert. Dazu trug auch der nicht selten konfrontative Zug der unierten Argumentation bei, wonach die Orthodoxie tief in der östlichen Welt verankert sei – dies wurde mit slawischem Ritus und Kultur, aber auch mit untätigem Klosterleben sowie Korruption und Paradenationalismus begründet. Dementsprechend konträr waren die Vorstellungen von einer kirchlichen Einigung: Während die BOR diese als Rückkehr der Unierten zum „alten rumänischen Gesetz“ forderte, stellte sich die unierte Kirche die Einigung als „Eingliederung der orthodoxen Kirche in die universale Kirche Roms“ vor (S. 304ff.).

Die katholische Kirche in Rumänien hatte es in doppelter Hinsicht mit dem orthodoxen Vorwurf der Fremdheit zu tun, nicht nur weil sie einer Autorität außerhalb des Landes unterstand, sondern auch weil ein großer Anteil ihrer Gläubigen Ungarn und Deutsche in Siebenbürgen und im Banat waren. Letzteres gilt auch für die protestantischen Kirchen, die Maner punktuell zum Zwecke des Vergleichs heranzieht.

Neben diesen grundsätzlichen Fragen des Verhältnisses der Kirchen zu Staat und Nation sowie zueinander liegt ein weiterer Schwerpunkt des Buches auf religionssoziologisch gefassten Themen wie orthodoxen Laienorganisationen, Laienfrömmigkeit und dem Umgang mit „Sekten“. Hier wird deutlich, dass einige Laienorganisationen wie z. B. die „Nationale Orthodoxe Gesellschaft der Frauen“ staatstragend und im Bunde mit Teilen der nationalliberalen Politik agierten. Es gab aber auch Organisationen wie „Das Heer des Herrn“ und die „Rumänische Orthodoxe Bruderschaft“, die sowohl von der Kirchenhierarchie als auch vom Staat argwöhnisch betrachtet wurden. Ihre mehr oder weniger explizit geäußerte Kritik an verkrusteten Kirchenstrukturen und an der Anlehnung der BOR an eine als korrupt empfundene Parteiendemokratie wurde als aufrührerisch und dem reformatorisch-protestantischen Geist verpflichtet kritisiert. Ihre Tätigkeit wurde ebenso wie die der Baptisten oder Adventisten als subversiv, als gegen die nationalen Interessen des Staates gerichtet gebrandmarkt.

Insbesondere in diesem Kapitel wird deutlich, dass Maners Buch in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit leistet. Er kann aus einer beeindruckenden Menge von Archivmaterial und Organen der religiösen Presse organisatorische, kirchenrechtliche und religionspolitische Zusammenhänge darstellen. Ein Blick in das umfangreiche Literaturverzeichnis erklärt aber, weshalb er sich weitgehend auf diese Themen beschränken musste und nur punktuell auf die Ebene religiös-kultureller Praktiken vorstoßen kann. Es liegen kaum kritische religionssoziologische Arbeiten zu Rumänien vor. Umso verdienstvoller muss die Arbeit Maners als historische Grundlegung für weitergehende Analysen eingeschätzt werden, nicht zuletzt für die religiös-kulturelle Praxis im Postkommunismus.

Dietmar Müller, Leipzig

Zitierweise: Dietmar Mueller über: Hans-Christian Maner: Multikonfessionalitaet und neue Staatlichkeit. Orthodoxe, griechisch-katholische und roemisch-katholische Kirche in Siebenbuergen und Altrumaenien zwischen den Weltkriegen (1918–1940). Franz Steiner Verlag Stuttgart 2007. = Forschungen zur Geschichte und Kultur des oestlichen Mitteleuropa, 29. ISBN: 978-3-515-08667-7, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 3, S. 463-464: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Mueller_Maner_Multikonfessionalitaet.html (Datum des Seitenbesuchs)