Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Band 59 (2011) H.4, S.  614-615

Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 59 (2011) H.4

Verfasst von: Hans-Christian Maner

 

Barbara Skinner: The Western Front of the Eastern Church. Uniate and Orthodox Conflict in the 18th-century Poland, Ukraine, Belarus, and Russia. DeKalb, IL: Northern Illinois University Press, 2009. XVI, 295 S., 4 Ktn. ISBN 978-0-87580-407-1.

Die auf eine Dissertation zurückgehende Monographie von Barbara Skinner zeichnet in einer gut durchdachten religions- und kulturgeschichtlichen Untersuchung die religiöse Entwicklung in den Grenzregionen zwischen Polen und Russland im 18. Jahrhundert nach. Die Forschungen zu den unierten Kirchen Ostmitteleuropas nehmen allmählich Fahrt auf, doch war bislang in den Betrachtungen dieser Konfession ein Übergewicht im österreichischen Teilungsgebiet Galizien – auch einer Grenzregion – festzustellen. Über politische Grenzen hinweggehende Betrachtungsweisen waren bis zu dieser Studie von Skinner eher Mangelware.

Die Untersuchung macht die besondere Relevanz des Themas deutlich, ist doch die religiöse Auseinandersetzung auch Teil des Kampfes zwischen Ost und West um politischen Einfluss, eines Kampfes, dessen Ergebnisse bis in die Gegenwart hinein zu beobachten sind. Die Arbeit konzentriert sich auf das 18. Jahrhundert, also den Zeitraum, der durch die Zurückdrängung der unierten Kirche nach dem Höhepunkt ihrer Ausbreitung nach Osten nach der Union von Brest 1596 gekennzeichnet ist. Zugleich verfolgt sie die Bedingungen, die diesen Prozess verantworteten. Skinner geht dieser Entwicklung über Brüche hinweg nach. Die Erzählung beginnt in der Zeit des polnisch-litauischen Commonwealth und endet nach dessen Aufteilung. Im Fokus steht die konfessionelle Entwicklung über die jeweils einseitigen kirchlichen und ethnischen Perspektiven hinweg. Ein Ziel der Untersuchung ist es auch, der Entstehung der heutigen Westgrenze der orthodoxen Kirche nachzuspüren. Dabei fällt der Blick auch auf die imperiale Politik des Russländischen Reiches sowie auf Fragen der Identität. Am Beispiel eines frühneuzeitlichen konfessionellen Konflikts diskutiert Skinner einleitend das Konzept der Konfessionalisierung und bettet es in seinen regionalen Kontext ein. Ebenso verfährt sie auch mit dem Begriff „Identität“.

Die Autorin zeichnet die konfliktreiche Entwicklung der beiden Kirchen in Polen-Litauen nach. Zunächst wird die Entstehung der unierten Kirche sowie die Situation der orthodoxen Kirche durch diese Veränderung skizziert, um dann die Ausbildung von verschiedenen religiösen Gemeinschaften unter den Ruthenen zu verfolgen. Als erste festigte die orthodoxe Kirche ihre konfessionelle Identität unter dem Metropoliten Peter Mohyla. Die unierte Kirche folgte erst im späten 17. Jahrhundert nach dem Vorrücken Moskaus nach Westen (Einnahme Kiews), wobei die Synode von Zamość die Praktiken der Kirche festlegte. Anhand von sozialen und kulturellen Aspekten wird das Auseinanderdriften der beiden Konfessionen deutlich. Visitationsberichte vom Ende des 18. Jahrhunderts geben ein lebensnahes Bild des konfessionellen Alltags wieder. Der Bruch mit der östlichen Tradition vollzog sich u. a. in der Liturgie. In Bezug auf die Geistlichen wird auch auf die Rolle des Basilianerordens hingewiesen. Der Staat, der russische wie der polnisch-litauische, blieb nicht außen vor: Beide arbeiteten daran, eine russische bzw. polnisch-litauische politische Loyalität mit der orthodoxen bzw. unierten Identität zu verbinden. In diesem Zusammenhang wird Russland auch als Machtfaktor herausgestellt, der zugunsten der orthodoxen Gläubigen in Polen-Litauen eingriff, was schließlich auch zu den Teilungen des polnisch-litauischen Commonwealth führte. Anschließend wird das Vorgehen des russischen Staates und der orthodoxen Kirche gegenüber den Unierten in der Zeit der Teilungen Polen-Litauens dargelegt, als in den russischen Teilungsgebieten auf die unierte Kirche massiv Druck ausgeübt wurde. Ein Dekret von Zarin Katharina II., das der Konversion Tür und Tor öffnete, zielte auf die Beseitigung der unierten Kirche im Russländischen Reich ab.

Die Darstellung, die auf Dokumenten aus polnischen, ukrainischen und russischen Archiven beruht, stellt auch aufgrund der Einbeziehung der in den drei Ländern publizierten wissenschaftlichen Literatur – deutschsprachige Untersuchungen wurden leider nicht berücksichtigt – eine multiperspektivische, solide argumentierende Untersuchung des konfessionellen Konflikts dar, durch welche letztlich auch die konflikt­reiche Gegenwart in der modernen Ukraine verständlicher wird.

Hans-Christian Maner, Mainz

Zitierweise: Hans-Christian Maner über: Barbara Skinner The Western Front of the Eastern Church. Uniate and Orthodox Conflict in the 18th-century Poland, Ukraine, Belarus, and Russia. DeKalb, IL: Northern Illinois University Press, 2009. XVI. ISBN 978-0-87580-407-1, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Maner_Skinner_The_Western_Front.html (Datum des Seitenbesuchs)

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Zitierweise: Hans-Christian Maner über: Barbara Skinner The Western Front of the Eastern Church. Uniate and Orthodox Conflict in the 18th-century Poland, Ukraine, Belarus, and Russia. DeKalb, IL: Northern Illinois University Press, 2009. XVI. ISBN 978-0-87580-407-1, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 59 (2011) H.4, S. 614-615: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Maner_Skinner_The_Western_Front.html (Datum des Seitenbesuchs)