Andrei Pavlov, Maureen Perrie Ivan the Terrible. Pearson Longman London [u.a.] 2003. IX, 234 S., 4 Abb., 4 Ktn. = Profiles in Power. ISBN: 0-582-09948-X.

Die im Westen wohl bekannteste russische Herrschergestalt des Mittelalters ist Ivan der Schreckliche. Umso erstaunlicher ist der Mangel an zuverlässig und umfassend informierenden westsprachlichen Monographien über ihn. Daher dürfte die auf dem gegenwärtigen Forschungsstand basierende Gemeinschaftsarbeit des russischen Historikers Pavlov und seiner britischen Kollegin Perrie, die sich gleichermaßen an den interessierten Laien wie an den Spezialisten wendet, große Beachtung finden. Sie bieten einen klar strukturierten, chronologisch aufgebauten, gut lesbaren Überblick über die Herrschaft dieses ersten russischen Zaren. Eine Chronologie, ein Glossar und mehrere Karten erleichtern dem Fachfremden das Verständnis. Trotz der unbestritten psychopathischen Elemente seiner Persönlichkeit lehnen die Autoren einen psychobiographischen Zugang ab. Da­her legen sie auch keine Biographie vor, sondern eine im Sinne der Reihe „Profiles in Power“ auf die Politik konzentrierte Analyse der Regierung Ivans. Ihr Bestreben ist eine von gesicherten Fakten ausgehende rationale Erklärung der Politik des Herrschers. Und das ist ihnen vorzüglich gelungen, auch wenn sicherlich weiter über den Wert mancher Quellen, wie z.B. des Briefwechsels zwischen Ivan und Andrej Kurbskij, den sie für authentisch halten, gestritten werden wird. Das gewählte Verfahren lässt natürlich schärfer die Handlungen und ihre Folgen bestimmen als die ihnen zugrundeliegenden Motive erkennen. Die Autoren wollen Spekulationen über die Motive Ivans vermeiden, müssen aber einräumen, dass der Quellenmangel auch sie mehr als einmal zwingt, von den Ergebnissen auf die Intentionen zu schließen.

Hauptthemen der Arbeit sind die territoriale Expansion und das Streben, durch militärische und diplomatische Erfolge das internationale Prestige des Reiches zu steigern, das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten und die Rituale und Symbole der Macht. Treibende Kräfte der Annexion der Tatarenchanate Kazan’ und Astrachan’ waren politische und religiöse Erwägungen. Der anschließende Angriff auf Livland – unglücklich und missverständlich als Livländischer Ordensstaat bezeichnet – und nicht auf die Krim wird mit dem Drang zum Meer, zu den europäischen Märkten und zur Kontrolle des Ostseehandels erklärt. Inwieweit dieses Motiv tatsächlich das entscheidende war oder erst im Laufe des 25-jährigen Konflikts an Gewicht gewann, hätte in Auseinandersetzung mit Angermanns Dissertation von 1972 differenzierter gefasst werden können.

Die Reformen der fünfziger Jahre intendierten eine stärkere Heranziehung und Beteiligung der verschiedenen Untertanengruppen an den politischen Entscheidungsprozessen und der Verwaltung. Diese Entwicklung in Richtung einer Ständemonarchie nach westeuropäischem Vorbild wurde abrupt abgebrochen durch die Opričnina, die das Ziel verfolgte, die uneingeschränkte Allmacht des Zaren zu sichern. Dieser radikale Bruch ist rational nur schwer zu erklären. Darüber, ob es in Moskau Stände, wenn auch in embryonaler Form, gab, wird sicherlich weiter gestritten werden, kaum darüber, dass die zur Willkürherrschaft übersteigerte Autokratie der Opričnina schrecklicher Höhepunkt einer Entwicklung war, die schon längst eingesetzt hatte. Und insofern scheint mir die Opričnina mit der Einrichtung altbekannter Ämter und Herrschaftspraktiken staatsrechtlich auch nichts grundsätzlich Neues geschaffen zu haben, auch wenn die alte Bojarenaristokratie, wie schon Platonov betont hatte, weitgehend ausgeschaltet wurde.

Zur Sicherung seiner Herrschaft und zur Integration des Reiches setzte der Zar nicht nur auf Zwang, sondern vertraute auch auf die Kraft von Ritualen und Symbolen. Neben der Zarenkrönung verweisen diese auf verschiedene Herrschaftsinterpretationen in Architektur, Ikonenmalerei und literarischen Texten.

Uwe Liszkowski, Kiel

Zitierweise: Uwe Liszkowski über: Andrei Pavlov, Maureen Perrie: Ivan the Terrible. Pearson Longman London [u.a.] 2003. ISBN: 0-582-09948-X., in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 57 (2009) H. 2, S. 265: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Liszkowski_Pavlov_Perrie_Ivan_the_Terrible.html (Datum des Seitenbesuchs)