Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 62 (2014), 1, S. 137-138

Verfasst von: Daniel Lalić

 

Edda Binder-Iijima / Heinz-Dietrich Löwe / Gerald Volkmer (Hrsg.): Die Hohenzollern in Rumänien 1866–1947. Eine monarchische Herrschaftsordnung im europäischen Kontext. 190 Seiten, ISBN 978-3-412-20540-9.

Es erscheint wie eine klassische Ironie der Geschichte: Nicolae Ceauşescu, dessen totalitäres Regime nicht nur in der Inszenierung monarchische Züge aufwies – so war er der einzige kommunistische Staatschef mit Szepter –, gehört vor allem aufgrund dieser monarchisch anmutenden Herrschaftsdarstellung zu den bekanntesten Figuren der rumänischen Geschichte, wohingegen die wirklichen Fürsten und Könige Rumäniens größtenteils in den Hintergrund getreten sind.

Wie die Herausgeber in der Einleitung des vorliegenden Bandes treffend bemerken, ist in der Tat die 1947 abgeschaffte rumänische Monarchie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowohl aus dem Blickfeld der Historiker als auch aus der öffentlichen Wahrnehmung Deutschlands weitgehend verschwunden. Zwei Hauptgründe werden für dieses ‚Vergessen‘ des Königreichs Rumänien angeführt: zum einen die unbestreitbare Tatsache, dass  während des kommunistischen Regimes in Rumänien ein ideologisches Anathema über die Monarchie verhängt worden war, und zum anderen – was weitaus diskussionswürdiger erscheint – aufgrund der Dominanz der Sozialgeschichte innerhalb der westlichen Geschichtswissenschaft, die kein Interesse an der Institution Monarchie gezeigt haben soll. Der an dieser Stelle zu rezensierende Aufsatzband ging aus dem 2006 in Heidelberg abgehaltenen internationalen Symposium „Monarchische Herrschaftsordnung im europäischen Kontext. Die Dynastie von Hohenzollern-Sigmaringen in Rumänien 1866–1947  und die deutsch-rumänischen Beziehungen“ hervor.

Die zwölf in der Publikation versammelten Aufsätze, von denen nur jeweils einer auf englisch bzw. französisch verfasst ist, sind dabei nicht nur in ihrem jeweiligen Umfang, sondern auch in ihrem Stil recht unterschiedlich: So bilden die beiden den Sammelband einrahmenden Texte von Keith Hitchins und Armin Heinen durch ihren Vortragsstil einen interessanten sprachlichen Kontrast zu den übrigen, eher klassisch wissenschaftlichen Beiträgen. Der Fokus des Sammelbandes liegt insgesamt auf einer personalen bzw. akteursbedingten Perspektive auf die Monarchie und nicht auf einer strukturellen Betrachtungsweise der von den Personen zu trennenden Institution der Krone. Im Zentrum der einzelnen Beiträge stehen daher meistens die Könige und nicht das Königtum, wofür die Aufsätze von Klaus Heitmann und Hans-Christian Maner zu Carol II. als exemplarisch betrachtet werden können. Zwar ist es durchaus nachvollziehbar und legitim, die Dynastie in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen, aber gerade für die europäische Kontextualisierung der rumänischen Monarchie als Institution, in welcher die Krone vom Träger derselben zu trennen ist, wäre ein etwas stärker komparatistisch und strukturanalytisch ausgerichteter Ansatz ebenso denkbar und anwendbar.

Der Aufsatzband gibt in seinem Aufbau und in seiner Gesamtkonzeption die für die Geschichtsschreibung Rumäniens – sowohl die einheimische als auch die ausländische – gleichsam klassische Dichotomie zwischen den Königen Carol I. und Carol II. wieder, sodass diese auch deutlich im Mittelpunkt des Interesses stehen. Im Vergleich dazu werden die beiden Herrscher Ferdinand I. und Mihai I., wie von den Herausgebern im Vorwort bemerkt, fast schon marginalisiert, sodass – beabsichtigt oder nicht – der Band mit der allgemeinen Wahrnehmung der vier genannten Könige korrespondiert.

Unter den als Motti zu verstehenden Fragen „Who are the Romanians?“ and „What is Romania alike?“ bettet der Beitrag „The Romania of the Kings“ von Keith Hitchins als breit angelegte Einleitung die rumänische Monarchie in den Kontext der Frage nach der rumänischen Identität ein. Diese wird vom Autor als andauerndes Experiment einer Synthese zwischen Ost und West angesehen, wobei diese fast schon stereotype Dichotomie nicht näher definiert oder hinterfragt wird. Dem Zeitalter der Hohenzollern wird in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung beigemessen, da das Land in dieser Epoche in die Moderne aufbrach, mit allen gesamteuropäischen Konsequenzen: „[...] it was thus destined to share its benefits as well and misfortunes.“ (S. 19). Während Gerald Volkmer mit seinem Beitrag den außenpolitischen Rahmen Rumäniens im europäischen Kontext absteckt, konzentrieren sich Cornelius R. Zach und Günter Klein auf innere Aspekte, indem sie die Verflechtung von Dynastie und einheimischen politischen Eliten bzw. die Rolle des Militärs als staatstragenden Faktor untersuchen. Dieser dezidiert innenpolitische Blick wird auch von Michael Kroner beibehalten, der sich dem Verhältnis zwischen der Herrscherfamilie und der deutschen Minderheit in Rumänien widmet. In nachvollziehbarer Weise legt der Autor dar, dass die deutsche Herkunft der Dynastie nicht der ausschlaggebende Loyalitätsfaktor, sondern nur Teil einer aus der Politik hergeleiteten Staatstreue war.

Der Beitrag „Monarchische Modernisierungsentwürfe und rumänische Realitäten“ von Lothar Maier zeigt schlüssig auf, dass Modernisierungsbestrebungen unter Carol I. in ihrer Gesamtheit recht bescheiden geblieben sind. Dennoch drängt sich die Frage nach deren monarchischem Charakter auf: Lassen sich strukturelle bzw. diskursive Unterschiede zwischen republikanischen und monarchischen Modernisierungen feststellen?

Edda Binder-Iijima thematisiert die Bedeutung der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelnden Hofkultur für die angestrebte Ebenbürtigkeit sowohl des Landes als auch der herrschenden Dynastie der Hohenzollern-Sigmaringen. Die Autorin zeichnet schlüssig die Diskrepanz zwischen der Person Carols I. als Angehörigem des Hochadels und einer regierenden Familie, dem in dieser Eigenschaft die Akzeptanz seitens seiner Kollegen nicht verwehrt wurde, und dem von ihm ausgefüllten Amt eines Vasallen des Osmanischen Reiches bis 1878. Daher verwundert es nicht, dass die familiären Beziehungen des Fürsten und späteren Königs geradezu als Ersatz für die erst 1878 erreichte Unabhängigkeit fungierten, und in diesem Kontext erscheint es ebenso plausibel wie paradox, dass das kleine schwäbische Sigmaringen als Familiensitz die beschnittene Souveränität des weitaus größeren rumänischen Bukarests kompensierte.

Elena Siupiur behandelt in ihrem Aufsatz „Charles Ier. Un modèle politique pour les monarques du Sud-Est européen“ diese dem ersten rumänischen König von seinen Zeitgenossen zugesprochene Rolle in einer eher deskriptiven denn analytischen Weise, so dass dieses positive Bild des Königs nicht hinterfragt, sondern gleichsam perpetuiert wird.

Der Aufsatz „Mihai Eminescu und Carol von Hohenzollern. Momentaufnahmen einer schwierigen Beziehung“ von Iliana Gregori gehört aufgrund seines methodischen Ansatzes und seiner Fragestellung zu den interessantesten, da ungewöhnlichsten Beiträgen des Bandes. Im Gegensatz zum allgemein vorherrschenden positiven Urteil über Carol wurde für Eminescu der König zu einer Projektionsfläche, die für das Negative der damaligen rumänischen Gegenwart stand. Mit diesem stilsicheren Text erweitert die Autorin nicht nur den disziplinären Charakter des Sammelbands, sondern auch den hier behandelten Forschungsgegenstand an sich und beweist, dass man das Thema der rumänischen Monarchie auch aus literaturwissenschaftlicher Perspektive betrachten kann.

Den Abschluss des Sammelbandes bildet der Aufsatz Armin Heinens zur Rolle der Königsfamilie während des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts in Rumänien. Der Autor geht hierbei von einer Feminisierung der Monarchie während des Krieges durch das Wirken der Königinmutter Helene aus, die mitunter erfolgreich für verfolgte Juden eintrat und dafür 1993 posthum als Gerechte unter den Völkern in Yad Vashem geehrt wurde. Diese innovative These erscheint vor allem vor dem Hintergrund der damals fast zur Ikone stilisierten Königin Maria, der Gemahlin Ferdinands I., diskussionswürdig, die sowohl als volksnahe Regentin wie als fürsorgliche Mutter der Nation wahrgenommen wurde. Darüber hinaus setzt sich der Autor mit den vorherrschenden Deutungsmustern zur rumänischen Monarchie auseinander, sodass der Text gerade auf dieser Ebene einen zwar kurzen, doch sehr gelungenen Abschluss des Bandes darstellt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: „Die Hohenzollern in Rumänien 1866–1947“ ist trotz seiner etwas einseitigen, weil recht akteurszentrierten Ausrichtung ein lesenswerter Beitrag zum Thema der osteuropäischen Monarchien des 19. und 20. Jahrhunderts im Allgemeinen und Rumäniens im Speziellen. Die Mehrzahl der Beiträge stellt dabei nicht nur detaillierte Analysen des jeweiligen Themas dar, sondern eröffnet darüber hinaus in Einzelfällen auch neue Denkanstöße und weiterführende Zugänge zur monarchischen Geschichte Osteuropas.

Daniel Lalić, Passau

Zitierweise: Daniel Lalić über: Edda Binder-Iijima / Heinz-Dietrich Löwe / Gerald Volkmer (Hrsg.): Die Hohenzollern in Rumänien 1866–1947. Eine monarchische Herrschaftsordnung im europäischen Kontext. 190 Seiten, ISBN 978-3-412-20540-9, http://www.oei-dokumente.de/JGO/Rez/Lalic_Hohenzollern_in_Rumaenien.html (Datum des Seitenbesuchs)

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