Beate Eschment, Hans Harder (Hrsg.): Looking at the Coloniser. Cross-Cultural Perceptions in Central Asia and the Caucasus, Bengal, and Related Areas. Ergon Verlag Würzburg 2004. 384 S., zahlr. Abb. ISBN: 3-89913-359-5.

Nicht ein klassischer Vergleich dieser sich nicht alleine in ihrer kolonialen Geschichte grundsätzlich unterscheidenden Regionen ist das Ziel dieses Konferenzbandes, sondern die Hoffnung auf Inspiration durch kollegiale Vernetzung. Für den präsentierten Fragenkatalog – Wie formt Kolonialismus interkulturelle Wahrnehmung? Wie sahen insbesondere die Kolonisierten die neuen Machthaber? Auf welchen Ebenen begegneten sich die jeweiligen Akteure? Und welche Perspektiven nahmen diese ein? (S. 9) – kann festgestellt werden, dass die eingangs formulierten Erwartungen erfüllt wurden. Widmen sich die Beiträge der ersten Sektion noch der Wahrnehmung Russlands aus zentralasiatischer und kaukasischer Perspektive, die der zweiten Sektion dem bengalischen Blick auf die britischen Kolonisatoren, so untersuchen die Autoren der abschließenden Sektion interkulturelle Vorstellungswelten, darunter die Wahrnehmung muslimischen Lebens im Russländischen Reich durch die osmanische Öffentlichkeit (Vol­ker Adam). Die Kolonialismusdebatte und folglich auch die Analyse der gegenseitigen Wahrnehmung der Beteiligten steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Daher kann es nicht verwundern, dass der Fokus zunächst auf die Presse und die autobiographischen wie literarischen Quellenzeugnisse gerichtet wurde. Allerdings diskutieren vor allem die Historikerinnen und Historiker, die sich in dem Sammelband den Fallstudien zum Zarenreich widmen, solche Autoren, die bereits dem mehr oder weniger sanften Russifizierungsdruck erlegen waren, ja Russisch gar als ihre thinking language auffassten. Oft waren sie Vermittler des Neuen in ihrem traditionellen Umfeld – wie die Analyse der Tagebücher des Prosaautoren Yusif Vezir Chemenzeminli durch Sh. M. Mustafayev oder die Ausführungen Oliver Reisners zum Bericht des Fürsten Grigol Orbeliani aus den Jahren 1831/32 über seine Reise von Tbilisi nach St. Petersburg zeigen. Dagegen zeichnet Olga Yastrebova detailliert die Folgen der Publikation des Tagebuches des Emirs von Buchara über seine offizielle Reise nach Petersburg nach – mit dem überraschenden Ergebnis, dass nicht der auf politischer Ebene eher unbedeutende Besuch, sondern erst die im Anschluss daran entstehende Aufmerksamkeit der russischen Presse für seine Reformen den „turning point“ (S. 71) in der Wahrnehmung des Emirs und seiner Politik durch die russische Öffentlichkeit markierte. Die ganze Bandbreite möglicher Reaktionen auf den kulturellen Assimilierungsdruck zeigt wiederum Bakhtiiar Babadzhanov anhand einer Typologie muslimischer Intellektueller innerhalb Zentralasiens auf. Die begleitende Presseberichterstattung der russischen Eroberungsfeldzüge thematisiert Aleksandr Mat­ve­ev, der in seiner Analyse russischer Periodika zur Chiva-Kampagne aus dem Jahre 1873 das wachsende Interesse an dieser Region nachweist.

Wenngleich „Looking at the Coloniser“ ein syn­thetisierendes Fazit, das die Ergebnisse der einzelnen Sektionen zusammen führt, vermissen lässt, stellt der Band doch zweifelsohne eine Be­reicherung für die Kolonialismusdebatte und das Forschungsfeld der interkulturellen Kontakte dar.

Alexander Kraus, Köln

Zitierweise: Alexander Kraus über: Beate Eschment, Hans Harder (Hrsg.): Looking at the Coloniser. Cross-Cultural Perceptions in Central Asia and the Caucasus, Bengal, and Related Areas. Ergon Verlag Würzburg 2004. ISBN: 3-89913-359-5. , in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 57 (2009) H. 2, S. 256-257: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Kraus_Eschment_Harder_Looking.html (Datum des Seitenbesuchs)