Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Ausgabe: 59 (2011) H. 3

Verfasst von: Monika Heinemann

 

Geschichtsbilder und ihre museale Präsentation. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Deutschen in Polen in Vergangenheit und Gegenwart. Hrsg. von Stefan Dyroff und Markus Krzoska. München: Meidenbauer, 2008. 211 S., Abb. = Polono-Germanica, 3. ISBN: 978-3-89975-137-6.

Heimat im Museum? Museale Konzeptionen zu Heimat und Erinnerungskultur in Deutschland und Polen. Hrsg. von Beate Herget und Berit Pleitner. München: Meidenbauer, 2008. 168 S. = Colloquia Baltica, 14. ISBN: 978-3-89975-115-4.

In den Geschichtswissenschaften, insbesondere in den historischen memory studies, gewinnen in den letzten Jahren verstärkt Museen als Medien der Geschichtsvermittlung und der Konstruktion von Geschichtsbildern Beachtung. Historische Ausstellungen als identitätsstiftende Medien werden zunehmend als Quellen bei der Untersuchung von Erinnerungskulturen und Geschichtspolitiken betrachtet. Gerade der Museumsboom der letzten zehn Jahre in den Ländern Ostmitteleuropas sowie die damit einhergehenden Tendenzen der Nationalisierung einerseits, aber auch der Pluralisierung von Geschichtsnarrativen andererseits führen zu einer intensivierten Auseinandersetzung auch der Geschichtswissenschaften mit dem Medium Ausstellung. So findet unter anderem die Musealisierung von Regionalgeschichte und somit oft auch von damit einhergehenden multinationalen Beziehungsgeschichten eine zunehmende Aufmerksamkeit, wofür die hier zu besprechenden Sammelbände beispielhaft stehen. Beide gehen auf deutsch-polnische Tagungen im Jahr 2007 zurück, die sich mit Fragen der Musealisierung der miteinander verflochtenen Geschichte der beiden Länder – überwiegend auf polnischem Territorium – befassten.

Der von Beate Herget und Berit Pleitner herausgegebene Band kreist um die Frage der Musealisierung von „Heimat“. Diesem schwer fassbaren Begriff, dessen unterschiedlicher Deutung und Tradition in beiden Ländern sowie den damit verbundenen Termini „Erinnerungskultur“ und „Regionalgeschichte“ nähern sich die Autoren im ersten Teil des Bandes. Hans Henning Hahn („Erinnerungskultur“), Mathias Nien­dorf („Heimat“) und Jörg Hackmann („Landes-“ und „Regionalgeschichte“) zeichnen in ih­ren Beiträgen jeweils eine vergleichende deutsch-polnische Begriffs- und Wissenschaftsgeschichte, welche die Stärke dieses Bandes ist. Einen umfangreichen historischen Überblick zu Institutionen, die sich mit der Musealisierung der Regionalgeschichte im deutsch-polnisch-tschechischen Kontaktbereich befassen, sowie einige aktuelle Beispiele aus dem Gebiet Niederschlesien bietet der daran anknüpfende Beitrag von Tobias Weger.

Die Herausgeberinnen streben mit ihrem Band eine interdisziplinäre Betrachtung des Themas an. Daher finden sind neben den bereits genannten Beiträgen deutscher Historiker auch Texte von Vertretern der musealen Praxis. Während jedoch der Aufsatz von Beate Bollmann einen hilfreichen Katalog von Ansatzpunkten für Museen bei der Drittmittelakquise enthält, weist der Text des Ausstellungsdesigners Mar­cel Wouters, unbeabsichtigt vom Autor, auf die zum Teil theorieferne Herangehensweise von Praktikern hin, die die gestalterische Umsetzung von Ausstellungskonzepten zwar federführend betreuen, sich museologisches Grundwissen jedoch erst über praktische Erfahrungen aneignen.

Im dritten Teil des Bandes werden schließlich verschiedene polnische Regionalmuseen durch Mitarbeiter der jeweiligen Institutionen kurz vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei Ausstellungsprojekte, im Rahmen derer diese Institutionen seit der Wende von 1989 die multinationale Vergangenheit ihrer Stadt oder Region zu erforschen und zu vermitteln suchen. Diese Beiträge bieten einen spannenden Einblick in die Gegenwart der Musealisierung vor allem der deutsch-polnischen Geschichte in Polen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Analyse der bei diesen Aktivitäten entworfenen Geschichtsbilder gewesen, auch wenn dies im Rahmen einer Selbstpräsentation von Institutionen zugegebenermaßen kaum erwartet werden kann.

Der von Stefan Dyroff und Markus Krzoska herausgegebene Sammelband, der sich der Musealisierung der Geschichte der Deutschen in Polen widmet, ist zwar weniger stringent aufgebaut, besticht aber durch mehrere hochinteressante Analysen historischer Ausstellungen und der darin entwickelten Narrative. Mit NS-Ausstellungen im besetzten Polen während des Zweiten Weltkrieges befassen sich die Texte von Sabine Arend und Lars Jockheck. Die sich wandelnden Darstellungen der Deutschen in den Gedenkstätten Auschwitz-Birkenau und Majdanek vollzieht And­re­as Mix nach. Besonders hervorzuheben ist der Beitrag von Hans-Jürgen Bömel­burg, der in chronologischer Reihenfolge die Darstellung der sächsisch-polnisch-litauischen Union in Ausstellungen und musealen Sammlungen in Deutschland und Polen vom 19. bis ins 20. Jahrhundert verfolgt. Dabei ordnet er die in den Schauen entworfenen Geschichtsbilder in den jeweiligen zeitgenössischen politischen und wissenschaftlichen Kontext ein. Die Beiträge von Tadeusz Żuchowski und Krys­tyna Radziszewska – zu den Anfängen der Posener Museumsgeschichte um die letzte Jahrhundertwende respektive zur gegenwärtigen Thematisierung des deutschen Elements in der Stadtgeschichte von Łódź in den Museen der Stadt – vermeiden leider tiefergehende Analysen und beschränken sich auf eine deskriptive, aber informationsreiche Perspektive.

Etwas außerhalb des dominierenden thematischen und geographischen, sich auf das polnische Territorium konzentrierenden Blickwinkels stehen die Beiträge von Wolf­gang Kessler und Susanne Peters-Schildgen, die sich mit deutschen Institutionen befassen. Wolfgang Kessler bietet einen sehr informativen Überblick über die in Deutschland verstreuten Archiv- und Bibliotheksbestände zur Geschichte der Deutschen in Ost- und Ostmitteleuropa. Susanne Peters-Schildgen stellt die Arbeit des Ober­schlesischen Landesmuseums vor, in dem sie als Kustodin beschäftigt ist.

Auch der Aufsatz von Anna Wolff-Powęska hat einen nur mittelbaren Bezug zum Thema des Bandes. Als Beitrag zum besseren Verständnis der (zum Zeitpunkt der Tagung) aktuellen Spannungen im deutsch-polnischen Verhältnis, die zum großen Teil auf geschichtspolitische Kontroversen zurückzuführen waren, analysiert sie detailliert und kenntnisreich das Deutschlandbild der politischen und mei­nungs­bil­den­den Elite, die in Polen von 2005 bis 2007, während der von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ geführten Koalitionsregierung, einflussreich war.

Wie aus den vorangegangenen Präsentationen deutlich geworden ist, haben beide Bände jeweils ihre eigenen Stärken. Sie zeigen jedoch exemplarisch auch Desiderate der historischen Forschung auf, die sich mit dem Medium ‚Ausstellung‘ als Quelle befasst: Methodische Überlegungen zur Analyse dieses Mediums fehlen bislang fast vollständig – so auch in den Beiträgen, die in den beiden Bände versammelt sind. Lediglich der Aufsatz von Sabine Arend stellt hier eine Ausnahme dar. Zwar gibt es auch in der Museumswissenschaft bislang erst ansatzweise Versuche, aus den bestehenden weitläufigen museologischen Theorien Anknüpfungspunkte für eine Methodik der Ausstellungsanalyse zu entwickeln. Bezeichnend für den – trotz der von den Herausgebern angestrebten Interdisziplinarität – weiterhin mangelhaften Austausch zwischen den verschiedenen Disziplinen, die sich mit dem Medium befassen, ist jedoch das weitgehende Fehlen einer Rezeption museologischer und bildwissenschaftlicher Ansätze in den hier besprochenen Sammelbänden.

Monika Heinemann, München

Zitierweise: Monika Heinemann über: Geschichtsbilder und ihre museale Präsentation. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Deutschen in Polen in Vergangenheit und Gegenwart. Hrsg. von Stefan Dyroff und Markus Krzoska. München: Verlagsbuchhandlung Martin Meidenbauer, 2008. = Polono-Germanica, 3. ISBN: 978-3-89975-137-6; Heimat im Museum? Museale Konzeptionen zu Heimat und Erinnerungskultur in Deutschland und Polen. Hrsg. von Beate Herget und Berit Pleitner. München: Verlagsbuchhandlung Martin Meidenbauer, 2008. = Colloquia Baltica, 14. ISBN: 978-3-89975-115-4, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Heinemann_SR_Dyroff_Krzoska_Herget_Pleitner.html (Datum des Seitenbesuchs)

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