Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 61 (2013), 3, S. 457-458

Verfasst von: Dittmar Dahlmann

 

Peter Hoffmann: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr. Frankfurt a. M. [usw.]: Lang, 2010. 271 S. ISBN: 978-3-631-60114-3.

Sicherlich gibt es, wie Peter Hoffmann in seinem Vorwort schreibt, viel Literatur über den großen Zaren, aber doch bisher keine Studie, in der Peter I. als Militärreformer und Feldherr im Mittelpunkt der Untersuchung stand. Der Autor ist einer der Spezialisten der Geschichte Russlands des 18. Jahrhunderts, der inzwischen eine stattliche Zahl von Büchern vorgelegt hat. Die vorliegende Publikation sollte 1989 im Militärverlag der DDR erscheinen, der Druck hatte bereits begonnen, als der Verlag „im Zuge der Zeitereignisse“ sein Programm änderte und das Buch ungedruckt blieb. Nun ist es als eines der Alterswerke des nimmermüden Autors erschienen. Der Forschungsstand wurde, soweit dies möglich war, eingearbeitet, einiges korrigiert und gestrafft.

In seinem Einleitungskapitel umreißt Hoffmann kurz die Entwicklung des Militärwesens, bettet es jedoch zugleich auch in die politischen und sozialen Entwicklungen ein, also in den Reformprozess, der bereits vor Peter I. begonnen hatte und den dieser nun weiterführte. In den folgenden zehn Kapiteln entfaltet der Autor dann die Rolle des Zaren und späteren Kaisers als Feldherr.

Peter erlernte das Kriegshandwerk in einer kontinuierlichen Entwicklung, die bei den sogenannten Spielregimentern begann und sich dann, auch durch die Vermittlung erfahrener, ausschließlich ausländischer Offiziere fortsetzte. Seinen größten Sieg errang er wohl in der Schlacht von Poltava 1709, die zwar den Nordischen Krieg nicht entschied, aber doch die Waagschale zugunsten der russischen Seite ausschlagen ließ. Zeitgenossen wie G. W. Leibniz und späterhin Voltaire haben die Bedeutung dieses Sieges durchaus erkannt. Leibniz hoffte darauf, dass der Zar nun „sein großes Reich kultiviert, dort Wissenschaften, Künste und gute Sitten einführt“ (S. 122).

Peters „erfreulichster“ Sieg aufgrund seiner Liebe zur Seefahrt war wohl die Schlacht bei Hangö im August 1714, in der er selbst die Galeerenflotte Russlands kommandierte, da die schwedische Marine bis zu diesem Zeitpunkt keine derartige Niederlage erlitten hatte.

Zwei Jahre zuvor, 1712, hatte der Zar seine größte Niederlage hinnehmen müssen, als die russische Armee den osmanischen Truppen am Prut unterlag. Auch Hoffmann kann keine Antwort darauf geben, warum das Osmanische Reich den Sieg nicht entscheidend ausgenutzt hat. Es bleibe bis heute „unerklärlich“. Die russische Niederlage jedoch erkläre sich aus der andersgearteten Kriegführung der Osmanen, die massierte Reiterangriffe unternahmen, die überraschend vorgetragen und ebenso schnell wieder abgebrochen wurden. Peters unerschütterlicher Optimismus ließ sich auch von dieser Niederlage nicht beirren, und er zog seine Lehren daraus.

Dass er es zu einem durchaus beachtenswerten Feldherrn brachte, beruhte – wie in fast allen anderen Bereichen seines Wirkens auch – auf seinem Lernwillen und seiner Wissbegierde, auf seinem rastlosen Streben und seiner „ungewöhnlicher Energie“. Die ihm zugeschriebene Genialität fußte auf einem enormen Arbeitspensum. Sie fiel ihm nicht, wie Karl XII., seinem schwedischen Gegenspieler, zu. Der Krieg, so bilanziert Hoffmann, war ihm Mittel zum Zweck, denn er sah militärische Probleme immer im Zusammenhang mit den vielfältigen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen seiner Zeit und seines Staates (S. 229).

In den folgenden vier Kapiteln widmet Hoffmann sich den Reformen des Verwaltungs- und Militärrechts, den Dienst- und Exerziervorschriften. Dies ist eine eher ‚trockene‛ Lektüre, doch zeigt der Verfasser hier sein großes Wissen und seine Quellenkenntnisse. Diese Veränderungsprozesse orientierten sich grundlegend an Peters Ziel, „den Anschluß Rußlands“ an die fortgeschritteneren Staaten Mittel- und Westeuropas zu erreichen, wobei dies durchaus kritisch gesehen wird. Am Ende erörtert der Autor in einem „Kopfsteuer und Rangtabelle“ überschriebenen Kapitel die Bedeutung der Volkszählung, der Finanzen und der Ränge in ihren militärpolitischen Aspekten. Schließlich folgt noch ein Kapitel über den Persienfeldzug von 1722–1724, an dem Zar Peter, nunmehr schon Kaiser des Russländischen Reiches, allerdings nicht mehr persönlich teilnahm, auch wenn er formal die Leitung innehatte.

Das abschließende Kapitel „Das Werk Peters des Großen“ würdigt dessen Wirken nicht nur als Feldherr und Militärreformer durchaus kritisch, aber wohlwollend. Beigegeben sind der Studie eine Zeittafel, ein hilfreiches Glossar (Worterklärungen) sowie eine Bibliographie, die ein wenig unübersichtlich gestaltet ist.

Halten wir als Fazit fest, dass es sich in jeder Hinsicht um eine ausgesprochen nützliche Überblicksdarstellung handelt, in der das Militärwesen und die geführten Kriege stets im Kontext der Reformen gesehen werden und nicht zum Selbstzweck werden. Ein gelungenes Stück Militärgeschichtsschreibung.

Dittmar Dahlmann, Bonn

Zitierweise: Dittmar Dahlmann über: Peter Hoffmann: Peter der Große als Militärreformer und Feldherr. Frankfurt a. M., Berlin, Bern [usw.]: Lang, 2010. 271 S. ISBN: 978-3-631-60114-3, http://www.oei-dokumente.de/JGO/Rez/Dahlmann_Hoffmann_Peter_der_Grosse_als_Militaerreformer.html (Datum des Seitenbesuchs)

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