Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 63 (2015), 2, S. 285-286

Verfasst von: Thomas M. Bohn

 

Heiko Haumann: Dracula. München: Beck, 2011. 128 S., 2 Ktn., Abb. = Becksche Reihe Wissen, 2715. ISBN: 978-3-406-61214-5.

Dracula und die Vampire sind Themen, die im Film und in der Belletristik allgegenwärtig sind, von der historischen Zunft aber eher stiefmütterlich behandelt werden. Daher unternimmt Heiko Haumann den dankenswerten Versuch, in einer populärwissenschaftlichen Reihe den Dracula-Mythos und den Vampir-Mythos miteinander in Verbindung zu setzen. Gleichwohl vermag er als einzige reale Klammer nur auf Bram Stokers Roman von 1897 zu verweisen. Der Zusammenhang, den Haumann zwischen dem Aufspießen als Hinrichtungsmethode und dem Pfählen als Mittel der Vampirvernichtung herstellt (S. 50), ist indes eher zufällig und daher lediglich als rhetorischer Kunstgriff zu verstehen. Folglich zerfällt die kleine Studie in zwei Teile, die sich auf er einen Seite mit dem rumänischen Nationalhelden Vlad dem Pfähler (14311477) und auf der anderen Seite mit der Medialisierung des Vampirgrafen Dracula auseinandersetzen.

Dass es sich bei dem im auswärtigen Schriftverkehr gebrauchte Ehrennamen „Dracula“ um eine Ableitung aus der Mitgliedschaft von Vlads Vater im Drachenorden Kaiser Sigismunds handelte, darf in Fachkreisen als Binsenweisheit gewertet werden. Der erst seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts dokumentierte Spitzname Ţepeş (der Pfähler) verweist darüber hinaus auf die bevorzugte Hinrichtungsmethode eines Fürsten, der sich in seiner kurzen Herrschaftszeit von 1456 bis 1462 mit den Osmanen nicht nur äußeren, sondern mit den rivalisierenden Thronprätendenten aus dem walachischen Adel auch inneren Feinden zu stellen hatte. Aufgrund der Tatsache, dass Vlads Versuch, die Donau zu überschreiten und den Osmanen in einem Guerillakrieg Paroli zu bieten, durch Intrigen im westlichen Lager gestoppt wurde, bezeichnet Haumann den walachischen Woiwoden zu Recht als Täter und Opfer.

Nachrichten von der habsburgischen Militärgrenze zum Osmanischen Reich führten am Beginn des Zeitalters der Aufklärung in den Jahren 1731/32 dazu, dass das serbische Wort Vampir in ganz Europa bekannt wurde. Haumann verweist in diesem Zusammenhang bereits auf Quellenbelege aus dem Jahre 1721, ohne diese indes näher zu bezeichnen (S. 69). Aus der Darstellung geht hervor, dass der Begriff ungeachtet seiner zweifelhaften Etymologie und der Vielzahl seiner südosteuropäischen Varianten in der Folge einseitig auf das vermeintliche Blutsaugen bezogen wurde. Diesbezüglich ist zwischen den nur indirekt erschließbaren Volksvorstellungen im Donau-Balkan-Raum und den Klischees in westlichen Kolportagen zu unterscheiden. Unsachgemäß erscheint nur, dass Hau­mann den als Prototypen aller Vampire geltenden „Arnauten“ (bzw. Serben albanischer Herkunft Pavle) als Arnont Paule bezeichnet (S. 79; in populären Darstellungen gemeinhin Arnold Paul genannt), zumal die Auflösung des Rätsels bereits in Band 56 (2008) dieser Zeitschrift erfolgte.

Lautet die provozierende These im Vorwort noch „Dracula lebt!“, wird in der nüchternen Zusammenfassung als Erklärung dafür die Phantasie eines Massenpublikums verantwortlich gemacht: Dessen Sehnsucht nach Unsterblichkeit, Angst vor dem Bösen und Bedürfnis nach Sexualität werde durch das Bild des Vampirgrafen seit Beginn des 20. Jahrhunderts angesprochen. Im Hinblick auf die Legendenbildung, die sich um Vlad den Pfähler seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts rankt, dient Haumann zufolge Dracula bis heute als Projektionsfläche, auf der sich das westliche Stereotyp vom rückständigen Osten abbilde.

Thomas M. Bohn, Gießen

Zitierweise: Thomas M. Bohn über: Heiko Haumann: Dracula. München: Beck, 2011. 128 S., 2 Ktn., Abb. = Beck’sche Reihe Wissen, 2715. ISBN: 978-3-406-61214-5, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Bohn_Haumann_Dracula.html (Datum des Seitenbesuchs)

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