Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Im Auftrag des Instituts für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg
herausgegeben von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Ausgabe: 62 (2014), 2, S. 311-313

Verfasst von: Udo Arnold

 

Almut Bues: Die Apologien Herzog Albrechts. Wiesbaden: Harrassowitz, 2009. VII, 373 S., 23 Abb. = Quellen und Studien des Deutschen Historischen Instituts Warschau, 20. ISBN: 978-3-447-05881-0.

Hier liegt eine gewichtige Quellenedition vor. Sie widmet sich der schwierigen Situation des Neuanfangs in Preußen, als nach einem vergeblichen Krieg gegen Polen 15191521 und der aus dem Reich während des Waffenstillstands nicht zu erlangenden Unterstützung Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach zur Erhaltung seiner Landesherrschaft 1525 den Hochmeistermantel des Deutschen Ordens abgelegt und sich in Krakau dem polnischen König als Lehnsherrn unterworfen hatte. Denn der Orden nahm die Ereignisse nicht kampflos hin; schließlich verlor er nicht nur sein Oberhaupt, sondern auch sein bis dahin zentrales Territoriumin Livland  waren seine Herrschaftsrechte deutlich eingeschränkt durch den Erzbischof von Riga, die Bischöfe von Oesel-Wiek und Dorpat und die Stadt Riga, und im Deutschen Reich verfügte er über weit verstreuten Besitz, dem nur an wenigen Orten territorialer Status zukam. So bemühte sich der Orden fast drei Jahrhunderte lang um die Rückgewinnung Preußens und stellte damit in den Augen des neuen Herzogs eine stete Bedrohung dar. (Vgl. Udo Arnold: Mergentheim und Königsberg/Berlin – die Rekuperationsbemühungen des Deutschen Ordens auf Preußen, in: Württembergisch-Franken. Jahrbuch des Historischen Vereins für Württembergisch-Franken 60 (1976), S. 14–54.) Das begann sofort nach 1525, als der Orden unter dem Deutschmeister Walter von Cronberg für diesen die Nachfolge in der Ordensführung alsAdministrator des Hochmeistertums in Preußenbeim Kaiser durchsetzen konnteCronberg hat ganz im Sinne seines Vorgängers Dietrich von Cleen nie den Hochmeistertitel geführt, weil er damit das Vorgehen Albrechts und den Verlust Preußens anerkannt hätte, sondern stets nur den Administratortitel, wie im übrigen seine Nachfolger bis zur Neuorganisation des Ordens 1839.

Gegen diese Ansprüche wehrte sich Albrecht. Einen wichtigen Austragungsort der mit Wort, Schrift und dem jungen Medium Druck geführten Auseinandersetzungen boten die Reichstage, war doch Albrecht Reichsfürst und vom Kaiser als Hochmeister 1524 mit Preußen belehnt worden, andererseits der Ordenszweig im Reich gleich mehrfacher Reichsstand sowohl aufgrund der Administratorwürde, als auch, bereits seit dem 15. Jahrhundert, in der Funktion des Deutschmeisters sowie für die Ballei Elsass und die Herrschaft Elsen im Besitz der Ballei Koblenz.

Auf diesem Hintergrund entstanden in den Jahren 1526 bis 1532 vier große Verteidigungsschriften Albrechts, die mit zwei zugehörigen Reden und 18 Briefen ediert werden. Sie stellen eine Auswahl dar aus knapp 90 Vorgängen bis 1544, die Bues auflistet (S. 3751). Dabei hatte moralisch der Orden in den Augen der meisten Fürsten des Reiches, allen voran des Kaisers, die besseren Karten, Albrecht sah sich stets in der Verteidigerrolle. Nach einer ersten Druckschrift des Ordens erwiderte er Ende Oktober 1526 mit einer ebenfalls gedruckten „Christlichen Verantwortung“ gegen die „angemaste Verunglimpffung“, in die er die Ordensschrift inserierte (S. 5580). Albrecht argumentiert ausführlich mithilfe der Bibel gegen das Ordenswesen und gegen den Deutschen Orden insbesondere, weil „in dieser Ordens Regel viel ding wider das lauter göttlich Wort gesatzt“ (S. 61); besonders das Problem der Keuschheit wird ausführlich behandelt. Im folgenden Teil argumentiert Albrecht historisch und politisch, wobei er verschweigt, dass er 1519 den Reiterkrieg begonnen hatte, nicht Polen. Schließlich habe er sich wegen mangelnder Unterstützung durch das Reich wie auch durch die Ordenszweige im Reich und in Livland Polen unterworfen, um Preußen „lenger in solch endlich Sterben, Verderben und verjagen nicht setzen sollen noch wollen“ (S. 75). Deshalb habe er auch nicht außer Landes gehen und weiterhin Hochmeister bleiben können, was allerdings eher in einer Randbemerkung aufscheint (S. 77), aber im Sinne des Ordens durchaus eine Alternative gewesen wäre, wenngleich mit einem enormen persönlichen Macht- und Bedeutungsverlust verbunden. Die dem Akt von Krakau vorausgegangenen Verhandlungen zur Erhaltung seiner Herrschaft in Preußen wie auch die geschickte Täuschung des Deutschmeisters und des Landmeisters von Livland, denen er noch kurz zuvor erhebliche Pfandgelder entlockt hatte für Gebiete, die er durch sein Vorgehen sowieso verlor, scheinen natürlich nicht auf.

Deutschmeister Cronberg blieb vorerst zurückhaltend, auch wenn er Albrechts Verantwortung sicher kannte, bis er seine Führungsrolle im Orden gegenüber dem Landmeister von Livland Wolter von Plettenberg und vor allem den hochmeisterlichen Kammerballeien Koblenz, Österreich, Etsch und Elsass, den sog.preußischen Balleien, auf dem Kapitel von Frankfurt 1529 gesichert hatte (Edition der „Frankfurter Konstitution“ in: Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter. Teil 3: 1528–1541, hg. v. Marian Biskup und Irena Janosz-Biskupowa unter der Redaktion von Udo Arnold. Marburg 2008, Nr. 249. = Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/III = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/III) und nun auch den Administratortitel führen konnte. Erst jetzt wurde er aktiv bei der Reichsritterschaft und dem Kaiser (Druck seiner Supplik S. 280284), der ihm nicht nur die Regalien verliehen hatte, sondern ihn auch als Administrator feierlich mit Preußen belehnte. Die Reaktion Albrechts findet sich in der von Bues edierten deutschen und lateinischen „Suplication“ seines Rats Georg Klingenbeck von 1530 (S. 81130), für den Reichstag gedacht, auch wenn Albrechts Gesandter sie nicht überreichen konnte. Die Argumentation ist eher auf Ausgleich bedacht, auch wenn der Orden natürlich der Hauptgegner bleibt. Interessant ist z.B., dass die Supplik den Administrator als Hochmeister benennt (S. 81), woran deutlich wird, dass der Administratortitelganz im Sinne Cronbergsauch von Albrecht als Rechtsanspruch auf Preußen verstanden wurde. Bues  Datierung der Supplik auf den 4. Oktober 1530 kann kaum zutreffen, da Klingenbeck sich bereits am 12. August wegen der Nichtzulassung zum Reichstag beschwerte und Cronberg schon am 12. Oktober eine Widerlegung herausgab (vgl. S. 40 f.). Albrecht lehnte sich nun enger an König Sigismund I. von Polen an (Rede seines Rats Johann Apel auf dem Reichstag von Petrikau und Schutzversprechen des Königs am 29. Dezember 1530 sowie Ratschläge zur Argumentation gegen Cronberg vom 8. Januar 1531), erst recht, nachdem die kaiserliche Aufforderung zur Übergabe Preußens an Cronberg, ersatzweise die Vorladung vor das Reichskammergericht, ihn im März erreicht (inseriert imLibell, S. 138142) und er eine Wiederholung des königlichen Schutzversprechens und ein Verbot, der Vorladung Folge zu leisten, erhalten hatte (Druck S. 292–303). Daneben wurde intensiv gearbeitet an einer neuen „erinnerung und erklerung“, auchLibellgenannt, der umfangreichsten Verteidigungsschrift (S. 131247), an der Albrecht sich mit eigenen Aufzeichnungen beteiligte. Ausführlich wird die gegenwärtige Situation der Auseinandersetzungen beschrieben; danach folgt die Darstellung der Politik Albrechts seit Übernahme des Hochmeisteramts 1511 mit dem Schluss, dass die Vorgänge von 1525 weiterem Blutvergießen hätten Einhalt gebieten sollen, außerdem auf Bitten der Untertanen und „aus keinem furwitz fur uns selbs oder eygenen angenomenen zeitlichen nutz“ (S. 200) erfolgt seien. Sodann wird der Orden scharf attackiert mit der Bezeichnung einer „elenden jemerlichen kercker vorthumblicher verfurung“ bedacht (S. 210). Es war dies der scharfe Entwurf einer Apologie, als Albrecht sich offensichtlich in die Ecke gedrängt fühlte. Die Reaktionen darauf von befreundeter Seiteu.a. von Luther  (S. 311)machten klar, dass diesesLibelldiplomatisch ungeeignet war, so dass eine Überarbeitung erfolgen musste, erst recht nach Verkündung der Reichsacht gegen Albrecht im Januar 1532. Die folgende neueApologie(S. 249275) in Deutsch und Latein konnte vom polnischen Gesandten und Bischof von Kulm Johannes Dantiscus auf dem Reichstag, auf dem er auch reden durfte (S. 312314), vorgelegt werden. Sie entbehrt der Schärfen desLibellsund argumentiert weniger religiös als vielmehr politisch mit dem Schluss, Albrecht habe durch sein Vorgehen „einen grossen theil Europa zu ewigem fride gesetzt und der deutzschen nation ein schirmmaure eines langen orts gegen den ungleubigen veinden gemacht“ (S. 263). Dem Orden empfiehlt sie die Rückeroberung dem Reich entfremdeter Gebiete in Sizilien, Apulien und Italien (S. 261). Cronberg erwiderte Anfang Juni 1532 darauf (S. 317327), in historischer Argumentation und weit weniger scharf als Albrecht.

Damit endete die erste Periode der gegenseitig vorgebrachten Apologien; erst 1550 griff der Orden erneut zu diesem Mittel, und im 17. Jahrhundert wurden eine ganze Reihe von Druckschriften von beiden Seiten herausgegeben (vgl. Arnold: Mergentheim und Königsberg/Berlin.). Es ging nun vielmehr um Exekution oder Aufhebung der Reichsacht, die immer wieder suspendiert wurdeHabsburgs Türkenkriege hatten Vorrang, und dazu bedurfte es auch der Hilfe von Albrechts Schutzmacht Polen. Die Situation des Ordens wurde vom ehemaligen Rat Albrechts Johann Apel Ende 1535 treffend beschrieben: „non deest eis voluntas, sed facultas.“ (vgl. Arnold: Mergentheim und Königsberg/Berlin, S. 19.)dabei blieb es für die Folgezeit, auch wenn Albrecht die Sorge vor Aktionen des Ordens zeitlebens nicht verließ.

Erkenntlich wird an etlichen Unschärfen, dass die  Ordensgeschichteauch des preußischen Mittelalterseher außerhalb des Blickfeldes der Herausgeberin liegt.

Es handelt sich gleichfalls nicht um eine ausgewogene Darstellung der Auseinandersetzungen, die eine nach wie vor lohnende Aufgabe bietet, sondern es gehtwie der Titel zutreffend ausweistum die Edition der Rechtfertigungen Albrechts, mit einer vorangestellten kurzen Einleitung. Unbeschadet dessen handelt es sich um eine wichtige Quellengrundlage, für die eine entsprechende Edition der Ordenssicht eine interessante Ergänzung böte. Ein Detail sei noch erwähnt. Bues stellt eingangs die Frage, ob Albrecht Verräter oder Staatsgründer gewesen sei; ihre Antwort:Staatsgründer sind in gewissem Sinne immer Verräter, denn sie müssen mit Altem brechen, um Neuerungen einführen zu können.

Udo Arnold, Bonn

Zitierweise: Udo Arnold über: Almut Bues: Die Apologien Herzog Albrechts. Wiesbaden: Harrassowitz, 2009. VII, 373 S., 23 Abb. = Quellen und Studien des Deutschen Historischen Instituts Warschau, 20. ISBN: 978-3-447-05881-0, http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Arnold_Bues_Apologien_Herzog_Albrechts.html (Datum des Seitenbesuchs)

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